Ökonom über Griechenlandrettung: „Europa kann es allein!“

Europa kann Griechenland auch ohne den Internationalen Währungsfonds stützen, meint Daniel Gros vom Brüsseler Thinktank CEPS.

Touristen vor der Akropolis in Athen

Bis Griechenland auf eigenen Beinen steht, dauert es noch mindestens zehn Jahre, sagt Daniel Gros. Foto: dpa

taz: Nach zwei erfolglosen Versuchen bekommt Griechenland nun das dritte Spar- und Reformprogramm. Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten?

Daniel Gros: Nicht sehr hoch, aber besser als beim letzten Mal. Denn im Gegensatz zu den früheren Programmen haben wir diesmal eine andere Entwicklung bei Löhnen und Preisen. Sie sind um mehr als 20 Prozent zurückgegangen, die Wettbewerbsfähigkeit in Griechenland hat sich verbessert. Außerdem ist die fiskalische Anpassung schon zu 90 Prozent gelaufen. Deshalb ist diesmal weniger Sparen nötig.

Was meinen Sie mit nicht sehr hoch? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Griechenland nach dem Ende des dritten Programms auf eigenen Beinen stehen wird?

Ich glaube nicht, dass Griechenland nach drei Jahren an die Märkte zurückkehren und sich selbst finanzieren kann. Ein Erfolg ist in dieser Hinsicht ausgeschlossen. Das dauert noch mindestens zehn Jahre.

geboren 1955, ist Direktor des Brüsseler Centre for European Policy Studies. Der Ökonom arbeitete auch schon beim IWF und als Berater der EU-Kommission. Aktuell forscht er vor allem über die internationale Rolle des Euro.

Aber was wäre denn dann der Erfolg des dritten Programms?

Es wäre schon ein großer Erfolg, wenn die Reformen umgesetzt werden. Die Chancen stehen besser, denn diesmal gibt es in Athen keine Opposition mehr, das Memorandum wird regelrecht durch das Parlament fliegen! Das heißt aber nicht, dass alles gut wird. Griechenland kann sich glücklich schätzen, wenn es in einigen Jahren so dasteht wie Portugal heute.

Ist das neue Programm überhaupt auf Erfolg angelegt? Nach dem Euro-Gipfel im Juli hatten viele den Eindruck, Kanzlerin Merkel und vor allem Finanzminister Schäuble hätten es regelrecht auf ein Scheitern abgesehen.

Richtig, Schäuble wollte den temporären Grexit, deshalb hat er das neue Programm mit harten „Abwehrkonditionen“ versehen, die auf Scheitern angelegt waren. Schäuble wollte Griechenland damit aus dem Euro drängen. Doch das funktioniert nicht mehr, die Griechen lassen sich nicht herausekeln.

Wie realistisch sind die Sparvorgaben – etwa das Ziel, bis 2017 einen Primärüberschuss im Haushalt von 3,5 Prozent zu erreichen?

Wenn das Wachstum zurückkehrt, ergibt sich das von selbst. Die jüngsten Prognosen sind viel zu pessimistisch. Ich glaube nicht an eine lange Rezession.

Wie schätzen Sie die sozialen Folgen ein, droht eine neue humanitäre Krise?

Ich kann keine humanitäre Krise in Griechenland erkennen. Es wird auch keine Massenentlassungen geben. Das ist ein Schreckgespenst von Syriza.

Ein Streitpunkt sind immer noch die Schulden. Der Internationale Währungsfonds warnt, die Schuldenlast sei untragbar geworden und droht mit Rückzug…

Das sind Scheingefechte. Bei den günstigen europäischen Konditionen kann jeder seine Schulden tragen. Außerdem hat Griechenland einen ausgeglichenen Haushalt vor Zinszahlungen. Für die Refinanzierung der Schulden ist der neue Bailout da. Ich sehe deshalb kein Problem.

Der IWF aber sehr wohl, und Schäuble offenbar auch…

Der IWF steckt in einem Interessenkonflikt. Er will die Europäer zur Kasse bitten, aber selbst keine Schulden erlassen. Und Schäuble schießt sich in den eigenen Fuß, weil er den IWF unbedingt dabei haben will.

Heißt das, dass Sie auf den IWF verzichten wollen?

Ganz genau, das schreibe ich in meiner neuen Analyse. Der IWF sollte ausgezahlt werden und das Programm verlassen. Auf Wiedersehen, Europa kann es allein!

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