■ Ökolumne: Freileitung für alle Von Michaele Hustedt
Diesmal ist sie nicht über den Kabinettstisch gegangen, aber sie wird kommen, die Energierechtsnovelle. Es ist auch an der Zeit, daß es den großen Energiemonopolen an den Kragen geht. Denn wie eine lähmende Zementschicht verhindert die unzeitgemäße zentralistische und bürokratische Monopolstruktur hier jeglichen Fortschritt. Wettbewerb, Innovation und auch Umweltschutz, so hören wir von Minister Rexrodt, sollen angereizt werden. Allein, im Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums bleiben diese Vorhaben nur Präambelsprechblasen. Statt dessen gibt der Entwurf den Strommonopolen noch mehr Macht und verspricht der Großindustrie sinkende Strompreise. Bezahlen müssen dafür die kleinen Kunden – der Mittelstand und die Privathaushalte.
So also stellt sich die Bundesregierung Wettbewerb vor: noch stärkere Konzentration statt Förderung des Mittelstands. Klimaschutz und Kreativität wird behindert. Grüngestrichener Zement ist noch lange kein Rasen. Die Bundesregierung ist mutig, wenn sie den „kleinen Leuten“ Mehrbelastungen zumutet. Geht es aber darum, die Monopolherrschaft in eine pluralistische, vielfältige Energiewirtschaft zu überführen, werden die Heroen winzig klein.
Innovationen werden nicht durch zentralistische und bürokratische Großindustrie befördert, sondern meistens durch mittelständische Unternehmen, die schnell und erfolgreich Nischen besetzen. Und Innovation im Energiebereich heißt vor allem Umweltschutz: Energiesparen und der Einsatz regenerativer Energien, dezentral an die Bedingungen vor Ort angepaßt. Stadtwerke, die engagiert geführt werden, repräsentieren in der Energiewirtschaft diesen umweltorientierten dynamischen und engagierten Mittelstand. Zunehmend entstehen auch private mittelständische Unternehmen gerade im Bereich der regenerativen Energien. Und die Schönauer Stromrebellen könnten kein Einzelfall bleiben. In der kleinen Stadt im Schwarzwald wollen die BürgerInnen das Stromnetz übernehmen, um umweltverträglich und wirtschaftliche Energie zu erzeugen. Ein Ansatz, der von den Stromkonzernen mit allen Mitteln bekämpft wird. Doch neue, „grüne“ Energieunternehmen brauchen keine Angst vor realem Wettbewerb zu haben. Angesichts der großen Bereitschaft der Bevölkerung, umweltfreundliche Energieerzeugung insbesondere durch Sonne, Wind und Biogas zu unterstützen, könnten fitte Stadtwerke und Bürger-Energieunternehmen wie die Schönauer Rebellen offensiv agieren. Die Macht der Stromkonzerne kann auch von unten aufgerollt werden.
Doch dafür müssen erst einmal gleiche Startbedingungen für alle geschaffen werden. Das zentrale Machtinstrument der Stromkonzerne ist ihr Eigentum am Stromnetz. Damit David gegen Goliath überhaupt kämpfen kann, muß für alle Wettbewerber der gleiche Zugang zum Netz durchgesetzt werden. Der konsequenteste Ansatz dafür ist unser bündnisgrüne Poolmodell. Das Netz darf nicht den Stromkonzernen gehören, den Netzzugang gewährleistet eine neutrale Strombörse (Strompool). Auch die Bundesregierung räumt ein, daß dieser Schritt zu größter Wettbewerbsintensität führen würde. Sie lehnt ihn aber ab, weil er „noch nicht ausreichend erprobt“ sei. Und das obwohl Norwegen, Großbritannien und Kalifornien bereits auf dieses Modell setzen.
Die Neustrukturierung der Energieversorgung braucht den Blick nach vorn. Wer die Zukunft in Atomkraft, GarzweilerII und Zentralismus sieht, muß versagen. Darunter leidet nicht nur der Umweltschutz, sondern auch der Standort Deutschland.
Doch Wettbewerb ist und bleibt nur Mittel zum Zweck. Damit aber der Zweck, die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen, erreicht wird, muß der Staat die Rahmenbedingungen für den Wettbewerb so setzen, daß das Gemeinwohl Umweltschutz zum betriebswirtschaftlichen Interesse wird. Wer betriebswirtschaftlich denkt, muß Gewinne realisieren können, wenn er umweltfreundlich handelt. Die Neuordnung des Energiemarkts macht das Ringen um eine ökologische Steuerreform und die Ausweitung des Stromeinspeisungsgesetzes nicht obsolet – ganz im Gegenteil.
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