Öko-Kunst in Kreuzberg: Das Leben der Fossilien
In der Kreuzberger König Galerie untersucht Tue Greenfort das Mensch-Natur-Verhältnis. Galerist König zieht es derweil nach London.
Der Pfeilschwanzkrebs ist ein merkwürdiges Tier. Allein schon sein Äußeres: Der Panzer des Krabbeltiers gleicht einem Stahlhelm mit Augen, der in einem beweglichen Schwanzstachel mündet. Dergestalt setzt es sich seit über 400 Jahrmillionen der Evolution zur Wehr, doch inzwischen sind mächtige Feinde dazugekommen. Die Pharmaindustrie hat die „lebenden Fossilien“ für sich entdeckt; in Teilen Asiens gelten sie als Delikatesse.
Gibt man den Namen der Spezies auf YouTube ein, listen sich Tausende Videos auf, laienhafte Aufnahmen von Strandurlaubern wie Wissenschaftsdokus. Tue Greenfort hat aus diesem Fundus für seine Ausstellung in der König Galerie eine Videoarbeit zusammengesampelt, eine kaleidoskopartige Annäherung an sein großes Thema, das (selbst-)zerstörerische Verhältnis von Mensch und Natur.
Abstrakter spiegelt sich dieses auch in den Skulpturen wider, lebensgroße Abbilder der Krebse, aus Beton und industrieller Flugasche gefertigt, ebenso wie in den Fischdrucken des – ebenfalls gefährdeten – Viktoriasee-Tilapias auf Reispapier.
Einblick (684): Johann König, Galerist
taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?
König Galerie, Alexandrinenstr. 118–121, bis 15. 8., Di.–So. 11–18 Uhr, www.koeniggalerie.com
JK: Besonders spannend finde ich gerade die Ausstellung von Andreas Schmitten im Künstlerhaus Bethanien. Der diesjährige Falkenrot-Preisträger hat die Räume an der Kottbusser Straße genial bespielt und verwickelt die Ausstellungsbesucher in ein raumgreifendes Erlebnis. Die Schau ist eine riesige Materialschlacht aus Papier, Stahl, Glas und Kunststoff, eine echte Ansage. Besonders schön finde ich, wie alle geschätzten Größen der Düsseldorfer Bildhauerschule zitiert und reinkarniert werden: Reinhard Mucha, Katharina Fritsch oder Thomas Schütte.
Johann König (* 22. Juli 1981 in Köln) lebt seit 2002 in Berlin, wo er im selben Jahr seine Galerie für zeitgenössische Kunst am Rosa-Luxemburg-Platz gründete. Mittlerweile zeigt König die Kunst der von ihm vertretenen Künstlerinnen und Künstler (z. B. Monica Bonvicini, Natascha Sadr Haghighian, David Zink Yi, Annette Kelm, Corinne Wasmuht oder Elmgreen & Dragset) in der umgebauten, brutalistischen Kirche St. Agnes in Kreuzberg.
Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen?
Mein Lieblingsclub ist und bleibt das Berghain – vor allem seit Norbert Bisky die Eingangshalle mit seinem großformatigen zersplitterten Riesenbild bespielt. Da fliegen Menschen durch die Gegend, als hätte es eine riesige Explosion gegeben. Das künstlerische Spiel mit Erinnerungsfetzen passt perfekt zu einer Nacht im Berghain.
Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag?
Im Moment beschäftigt mich am meisten das König-Magazin. Die erste Ausgabe erscheint im Herbst. Es wird ein Berlin-Heft mit einem Porträt über den Architekten Werner Düttmann und einem Schwerpunkt auf Berliner Künstler: Grosse, Reyle, Wasmuht und Bisky.
Was ist dein nächstes Projekt?
Die Eröffnung einer Dependance in London. Parallel zur Frieze Art Fair werden wir eine Ausstellung mit Jeremy Shaw eröffnen, die sein Projekt „Liminals“ zur diesjährigen Venedig Biennale weiterführen wird.
Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?
Das neue Handtuch von König-Souvenir. Mit Norbert Bisky haben wir ein Badetuch produziert, das ein Statement gegen Homophobie und für die Pluralität der sexuellen Orientierung ist. Wenn ich damit mit meiner Familie im Prinzenbad sitze, sind die Blicke unbezahlbar.
Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer donnerstags in der Printausgabe der taz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!