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Öffentlicher Verkehr in LuxemburgFreies Fahren mit Bus und Bahn

Als erstes Land führt der Kleinstaat 2020 kostenlosen Nahverkehr ein. In einigen Städten Europas wurde Ähnliches versucht.

Luxemburgische Trams sehen gut aus und sind ab 2020 kostenlos zu benutzen Foto: dpa

Bus, Zug oder Tram nutzen, ohne einen Fahrschein zu lösen – das wird in Luxemburg ab dem 1. März 2020 möglich sein. Dann wird der Kleinstaat das erste Land mit kostenlosem Nahverkehr sein. Das kündigte der zuständige Minister für Mobilität François Bausch am Montag an.

Künftig braucht nur noch ein Ticket, wer die erste Klasse von Zügen nutzen will. Im restlichen Teil sowie in Bussen und Straßenbahnen müssen sich Fahrgäste lediglich ausweisen können. Dafür investiert der luxemburgische Staat bis 2023 rund 2,5 Milliarden Euro in das Verkehrsnetz. „Die Einführung des kostenlosen öffentlichen Transports ist eine wichtige gesellschaftliche Maßnahme. Man könnte es als das soziale Sahnehäubchen bezeichnen“, sagte Bausch.

Die Gratis-Verkehrsmittel sollen nicht nur die Luxemburger*innen im Land nutzen, sondern auch die rund 200.000 Pendler*innen, die täglich aus den Nachbarländern zur Arbeit nach Luxemburg fahren. Besonders in der Hauptstadt ist das Verkehrsaufkommen ein Problem: Laut einer Studie von 2016 stehen Autofahrer*innen hier im Schnitt 33 Stunden pro Jahr im Stau.

Ob Autofahrer*innen durch das kostenlose Angebot tatsächlich umsteigen, darüber sind sich Expert*innen uneinig. Laut einer Studie der TU Dortmund führt kostenloser Nahverkehr alleine nicht dazu, dass Menschen ihr Auto stehen lassen. Sinnvoller sei es, mehr öffentliche Verkehrsmittel einzusetzen und deren Frequenz zu erhöhen. Auch das Autofahren müsse teurer werden, etwa durch höhere Parkgebühren und mehr Tempo-30-Zonen. Radwege müssten ausgebaut werden.

Tickets waren schon länger preisgünstig

Obwohl heute immer mehr Menschen öffentliche Verkehrsmittel und Fahrräder nutzen, habe der Autoverkehr nicht abgenommen – die Bürger*innen würden insgesamt mehr Kilometer zurücklegen. So bleibt das Auto in Deutschland das meistgenutzte Verkehrsmittel – 55 Prozent der Wege werden laut TU-Studie damit zurückgelegt.

Ob in Luxemburg ab März 2020 mehr Autofahr*innen auf Bus und Bahn umsteigen, bleibt fraglich. Günstig war der Nahverkehr dort schon lange. Ein Einzelfahrt-Ticket, das zwei Stunden für das ganze Land gilt, kostet dort nur zwei Euro, eine Tageskarte gerade mal vier Euro. Der Staat finanzierte den Nahverkehr bislang zu 90 Prozent.

Gratis-Transport wurde in der Vergangenheit schon in unterschiedlichen europäischen Städten und Gemeinden angeboten. Aber viele Projekte wurden mittlerweile aus finanziellen Gründen eingestellt. In der estnischen Hauptstadt Tallinn jedoch können gemeldete Einwohner*innen schon seit 2013 kostenlos mit Bahn, Bus und Tram fahren.

Die Bundesregierung diskutierte zuletzt im Februar 2018 über kostenlosen ÖPNV. Anlass waren die hohen Emissionen in vielen deutschen Innenstädten und damit verbundene Dieselfahrverbote. In fünf Städten wollte die damalige Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) Pilotprojekte starten. Das Vorhaben versandete, Bund, Länder und Kommunen konnten sich nicht auf eine Finanzierung einigen. Nur in einzelnen Städten gibt es heute ein kostenloses Angebot: Seit Dezember sind in Aschaffenburg für einen Zeitraum von zwei Jahren Busse und die Tram an einem Tag in der Woche gratis. In Tübingen wird das ab Februar der Fall sein.

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6 Kommentare

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  • In Estland können die EstInnen bereits seit 2018 im ganzen Land den Nahverkehr kostenlos nutzen. Nach den positiven Erfahrungen von Tallinn wurde der kostenlose ÖPNV mit Beginn des letzten Jahres auf eine landesweite kostenlose Nutzung ausgeweitet. Nur die AusländerInnen müssen bezahlen.

  • Immer dieser irreführende Begriff vom 'kostenlosen Nahverkehr'. Ist die Infrastruktur umsonst, bekommen die Mitarbeiter kein Gehalt, werden Busse und Bahnen mit Feeenstaub betrieben? Nein, nix umsonst, kostet alles Geld und muss finanziert werden. Nennt das Ganze 'fahrscheinlosen Nahverkehr', dann braucht ihr euch auch nicht der Polemik von Betriebswirten aussetzen.

    • @Carine Salazar:

      Immerhin handelt es sich bei dieser "Scheindemokratie" (Monarchie mit parlamentarischer Begleitung) um eine Geldwaschanlage für Steuerflüchtige, Waffen- und Drogenhändler. Ebay, Amazon sowie alle möglichen Diktatoren dieses Planeten lassen dort ihre Briefkästen verwalten. Die Mieten sind so horribile, das die prekäre luxemburgischen Familien mit vielen Kindern (und davon gibt es reichlich) sich im bundesrepublikanischen "Zonenrand" nach Wohnungen umsehen müssen, die aber von den hiesigen Jobcentern aufgrund EU Vorschriften nur wenige Monate lang finanziert werden. Ansonsten, Nachrichtensperren, Behördenwillkür, und Jean-Claude Belmondo.

      • @Manf Tro:

        Juncker und seine Partei, die CSV, regieren da seit 2013 nicht mehr. Seit dem regiert dort ein Bündnis aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen, was auch die letzte Wahl 2018 gewonnen hat.

        • @Age Krüger:

          ok, dann nehme ich das mit den Drogenhändlern zurück!

  • "Laut einer Studie von 2016 stehen Autofahrer*innen hier im Schnitt 33 Stunden pro Jahr im Stau." Mal blind angenommen, es wären alles "Vollzeitfahrer".



    Das wären dann mindestens 200 Tage im Jahr Autonutzung für die Arbeit.



    Das wären dann 33 Std / 200 Tage = 16,5 Minuten pro Tag.



    Aufgeteilt in Hin- und Rückfahrt ergibt sich als Dutchschnitt pro Pendelfahrt 8 Minuten Stau. Die Umsteigebereitschaft kann also erst dann systematisch steigen, wenn jede Fahrt einschließlich Warte- und Umsteigezeit mindestens 10 Minuten schneller ist, als mit dem Auto.