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Mobilität von morgenRaum für neue Playerinnen

Stadtplanerinnen wollen das Beste aus der Fahrrad- und der Autowelt vereinen. Spannend ist, was Branchenfremden dazu einfällt.

Herausforderung: In der neuen Mobillität müssen die Verkehrsträgerinnen gut kombiniert werden Foto: dpa

Berlin taz | Noch eine Woche lang schauen Autofreaks nach Genf: Auf dem dortigen Autosalon stellt die Branche ihre Neuheiten aus, Europa-, Weltpremieren gar, die allerdings meist Bekanntes bieten. SUVs, getunte Karossen, einige mit elektrischem Antrieb. Spannender ist, was derzeit jenseits von Automessen in den Städten passiert.

„Wir sind schon mitten drin in der Verkehrswende“, sagt Katharina Fölsche vom Berliner Start-up GreenPack. „In den Innenstädten kommen die Lieferdienste ja gar nicht mehr durch mit ihren Autos“, sagt Fölsche, „die brauchen andere Lösungen.“

Also vermietet das junge Unternehmen Akkus an Handwerkerinnen, Fahrerinnen von Pedelecs oder E-Rollern. Das Geschäftsmodell lautet „Battery as a Service“: Die Kunden zahlen nicht dafür, einen Akku zu erwerben, sondern dafür, immer einen geladenen Akku in der Nähe zu haben. GreenPack stellt Ladestationen – neudeutsch „Sharing Points“ – auf, etwa an Tankstellen, in denen die vollen Akkus warten und von den Mieterinnen gegen leere Akkus ausgetauscht werden können.

Ein möglicher Kunde könnte das 2017 ebenfalls in Berlin gegründete Unternehmen Ono mit zurzeit 14 Mitarbeitern sein. Es produziert futuristische Lastenräder, Pedelecs mit windschnittigen Anhängern. Ab Juli sollen sie in Berlin und Hamburg in Pilotprojekten getestet werden, in Zusammenarbeit mit „namhaften Playern der Paketbranche“, sagt Luise Braun, Verkehrsplanerin bei Ono. Sie hat schon ihre Masterarbeit über Lastenfahrräder geschrieben. „Pedelecs sind eine gute Lösung für den Wirtschaftsverkehr“, sagt sie, „jetzt ist entscheidend, dass sich Bevölkerung und Unternehmen für neue Mobilitätskonzepte öffnen“.

Ein neuer Milliardenmarkt

In der derzeitigen Umbruchphase des Mobilitätssektors drängten etablierte große, neue kleine und branchenfremde Player mit Angeboten auf den Markt, beobachtet Jutta Deffner, die am ISOE-Institut für sozialökologische Forschung in Frankfurt den Forschungsschwerpunkt Mobilität und urbane Räume leitet. Beispiele für neue Geschäftsmodelle sind die Pläne der Münchner Autovermietung Sixt, die ihr Angebot in Richtung Carsharing ausbauen möchte.

Dafür will das schrille Familienunternehmen seine gesamte Fahrzeugflotte von 240.000 Autos in einen übergreifenden „Mobilitätsdienst“ einbringen. Über eine App können Kundinnen dann Fahrzeuge stunden-, tage- oder wochenweise mieten. Die Website finanzen.net schätzt das Marktvolumen für solche Mobilitätsdienste auf rund 400 Milliarden Euro allein in Europa. Auch Daimler und BMW wollen mitbacken an dem neuen Kuchen.

Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Verkehrsmittel muss funktionieren. Je nachdem, zu welchem Zweck es wohin geht, wählen die Verkehrsteilnehmenden etwa Bus, Bürgersteig oder Roller.

Kürzlich haben sie nicht nur ihre Carsharing-Unternehmen zusammengelegt, sondern wollen auch bei neuen Geschäften wie der Organisation von Mitfahrgelegenheiten per App oder dem Smart-Parking zusammenarbeiten; für die Kooperation in der Entwicklung von autonomen Fahrzeugen gibt es eine Absichtserklärung. Ob sich auf Dauer Sixt und Daimler, Firmen wie GreenPack und Ono oder ganz andere Firmen, etwa Internetkonzerne wie Google und Uber durchsetzen, sei nicht absehbar, sagt Deffner vom ISOE. Die neuen Player könnten leichter neue Dinge probieren und müssten nicht immer gleich in der Kategorie Massenproduktion denken. „Außerdem tun sie sich leichter mit der Erkenntnis, dass ein E-Auto kein herkömmliches Fahrzeug mit Batterie ist“, sagt die Mobilitätsforscherin. Dahinter stehe ein ganz anderes Konzept, mit leichteren, abgespeckten Autos.

„Wir versuchen, das Beste aus zwei Welten zu vereinen“, sagt Ono-Planerin Braun, „die Nachhaltigkeit und die Flexibilität aus der Fahrradwelt, die Qualität und Professionalität aus der Autowelt“.

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Das Beste aus beiden Welten vereinen – das könnte auch für die Mobilität von morgen Leitmotiv werden. Der „Modal Split“ sei das A und O, sagt Katharina Fölsche von GreenPack. Soll heißen: Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Verkehrsmittel muss funktionieren. Je nachdem, zu welchem Zweck es wohin geht, wählen die Verkehrsteilnehmenden etwa Bus, Bürgersteig oder Roller. „Umweltfreundlicher Verkehr funktioniert immer da gut, wo es schon gute Angebot gibt“, meint Fölsche.

Es sei wichtig, dass neue Angebote auf bestehenden aufbauten, so Deffner. „Wir haben in Deutschland einen in weiten Strecken guten Öffentlichen Verkehr“, sagt sie. „Das sollten wir halten und weiterentwickeln“. Das sei eine Herausforderung für die Kommunen: wie sie die neuen Angebote in ein zukunftsfähiges Mobilitätssystem integrieren.

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1 Kommentar

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  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Ich rekapituliere: Startup‘s mit richtig guten Ideen, Autovermieter, die im Bestand nach Marktausbau schauen, Institute, die immer mit den selben Untersuchungen kommen und eine „Verkehrswende“, die ich trotz E-Mobilitätshype (ohne reale Konsequenzen) nicht erkennen kann. Wer proklamiert, wie wären schon mitten in der Verkehrswende, „trinkt sich die Wirklichkeit schön“. Auch ein Weg.