Öffentlicher Suizid einer trans* Frau: Ermittlungen zu Ella kritisiert
Bei der Selbstverbrennung einer trans Frau schloss die Berliner Polizei ein politisches Motiv direkt aus. Doch einen Grund hatte sie dafür nicht.
Die aus dem Iran stammende trans Frau Ella Nik Bayan hatte sich dort im September vergangenen Jahres selbst angezündet. Die Polizei hatte bei diesem Suizid eine politische Motivation dennoch ausdrücklich ausgeschlossen.
Für Franco ist das unverständlich. Zumal es dafür auch keinerlei Belege gab, wie nun eine Antwort der Innenverwaltung auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten zeigt: „Dem Senat liegen zu der Motivlage und den weiteren Hintergründen, die zu der Tat führten, keine Erkenntnisse vor“, heißt es darin, die gesamte Antwort liegt der taz vor. Warum also hatte die Polizei einen politischen Hintergrund ausgeschlossen, obwohl Selbstverbrennungen nicht nur im Iran als Protestmittel dienen?
Auf Nachfrage der taz rudert die Polizei nun teilweise zurück. „Wir können eine politische Motivation nicht ausschließen, es gibt jedoch keine Hinweise darauf“, sagte ein Polizeisprecher.
Für den Abgeordneten Vasili Franco gibt es im Fall Ella Nik Bayan allerdings „genügend Anhaltspunkte“ für eine politische Tat. Da wäre zum einen die jahrelange Unsicherheit über den Ausgang ihres Asylverfahrens. 2015 kommt die queere Iranerin nach Deutschland, wo sie nach Magdeburg verteilt wird. Freund*innen von Bayan berichten von transfeindlichen Angriffen und Diskriminierungen, denen die 40-Jährige immer wieder ausgesetzt war. Ihr Asylantrag wird nach zwei Jahren abgelehnt, wobei ihre Transgeschlechtlichkeit im Bescheid nicht einmal erwähnt wird.
Kein Anspruch auf medizinische Leistungen
Bayan klagt gegen die Entscheidung, weitere anderthalb Jahre später erhält sie dann ihre Anerkennung. Jahre, in denen ihre geschlechtliche Transition auf Eis liegt, da Geflüchtete bis zu ihrer Anerkennung keinen Anspruch auf medizinische Leistungen über Notfallmaßnahmen hinaus haben.
Erst 2019 kann Bayan eine Hormontherapie beginnen, im selben Jahr zieht sie nach Berlin. Grünen-Politiker Vasili Franco kritisiert die Einschränkung der medizinischen und psychologischen Betreuung von nicht anerkannten Geflüchteten als „Ungleichbehandlung eines Zweiklassensystems“, das abgeschafft gehöre. Er vermutet einen Zusammenhang mit dem Suizid, laut Antwort der Senatsinnenverwaltung liegen jedoch „keine Erkenntnisse für eine derartige Kausalität vor“. Dass die Ermittlungen zu dem Fall nach drei Tagen eingestellt wurden, hält Franco für „bedauerlich“.
Ebenfalls bedauerlich findet der Innenpolitiker, dass die transfeindlichen Straftaten, die im Zusammenhang mit Bayans Suizid begangen wurden, bis heute nicht aufgeklärt sind. So wurden in Chatgruppen Bilder ihres verbrannten Leichnams verbreitet, die von Unbekannten im Krankenhaus angefertigt wurden. Laut Senatsinnenverwaltung führt die Polizei in dem Zusammenhang vier Ermittlungsverfahren, von denen eines bereits wieder eingestellt wurde und ein weiteres gegen unbekannt geführt werde. „Ich bin wenig zuversichtlich, dass da noch was passiert“, sagt Franco. An Neujahr sowie am 4. Januar wurde zudem das Grab der trans Frau von Unbekannten geschändet. „Das ist eine Form von Hasskriminalität gegen trans Personen, die wir nicht hinnehmen können“, so Franco.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge