Öffentlich-Rechtliche helfen Reichelt: NDR-Tochter lässt Nius wie echtes Fernsehen aussehen
Die NDR-Tochterfirma Studio Hamburg hat Teile des Sets und Sofas für das rechtspopulistische Medium Nius gebaut. Hoppla!
Es sieht ein bisschen aus wie beim Frühstücksfernsehen im neuen „Nius Live“-Studio: eine große Videoleinwand im Hintergrund, ein Glastisch mit Blumen und Tassen darauf und drumherum dieses lange, geschwungene Fernseh-Sofa.
Nur, dass es auf diesem Sofa bei Nius Live nicht um Intervallfasten oder B-Promis geht, sondern um Hetze gegen Geflüchtete und Menschenrechtsorganisationen, gegen Linke und queere Menschen oder, immer wieder, die vermeintlich zu linken Öffentlich-Rechtlichen und ihre „Zwangsgebühren“.
Das Medienportal wurde 2023 um den Ex-Bild-Chef Julian Reichelt gegründet und gilt als mindestens rechtspopulistisch. Es steht in der Kritik, weil es immer wieder journalistische Standards missachtet und rechte Kampagnen lostritt. Finanziert wird es von Multimillionär Frank Gotthardt, der nach eigener Aussage etwas gegen eine angebliche Übermacht von Medien unternehmen will, die „eher links zu verorten sind“.
Für die Fernsehproduktionsfirma Studio Hamburg ist das alles kein Grund, nicht mit Nius zusammenzuarbeiten. Studio Hamburg ist eine hundertprozentige Tochter der NDR Media GmbH vom Norddeutschen Rundfunk (NDR). Die Produktionsfirma hat 2025 mehrmals für Nius gearbeitet. So wurden in Werkstätten der Studio Hamburg Design Works, einem Tochterunternehmen, mehrmals Teile eines Sets für Nius gebaut, darunter eine LED-Wand. Das geht aus einem Bauplan aus dem Oktober hervor, der der taz vorliegt. Zuerst hatte der Spiegel berichtet.
Sendelizenz rechtfertigt Zusammenarbeit
Studio Hamburg hat der taz die Zusammenarbeit bestätigt. Sie hätten „für die Bundestagswahl“ sowie „im Laufe diesen [sic!] Jahres“ für Sets von Nius Tische gefertigt und „Sofas sowie Dekorationselemente“ geliefert, schreibt ein Pressesprecher. Der Auftrag dafür kam demnach von der VIUS SE & Co. KGaA, dem Medienunternehmen hinter Nius. Studio Hamburg begründet die Zusammenarbeit damit, dass Nius seit Herbst eine gültige Sendelizenz hat. Aufträge ablehnen würde die Produktionsfirma nur von Unternehmen, die „nicht über gültige Sendelizenzen verfügen oder auf Sanktions- bzw. Embargolisten geführt werden“.
Der erste Kontakt mit Nius, betont Studio Hamburg, sei „im Zeitraum der Sendelizenzerteilung durch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg im Herbst 2024“ erfolgt.
Die Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg ist zuständig, weil Redaktion und Studio von Nius sich in Berlin befinden. Mit der Lizenz hat Nius die Erlaubnis bekommen, bundesweit ein lineares Fernseh- und Radioprogramm zu senden. Auch wenn es Beschwerden über das Programm gibt, hat Nius die Zulassung bis heute. Nach dem Medienstaatsvertrag brauchen Medien, die live Fernsehen oder Radio ausstrahlen, ab einer bestimmten Zuschauendenzahl in Deutschland so eine Lizenz– unabhängig davon, ob das Programm über Kabel, Satellit oder das Internet verbreitet wird.
Nius hat seit der Lizenzerteilung sein Angebot ausgebaut: Seit Juli ist das Radioprogramm von Nius in immer mehr Bundesländern nicht mehr nur online, sondern auch über DAB+ empfangbar. Die vormals einstündige Fernsehsendung am Morgen, die auf Youtube und der Nius-Homepage ausgestrahlt wird, wurde auf zwei Stunden verlängert. Seit Juni 2025 wird sie in dem neuen Set mit der großen Couch aufgezeichnet, das fast aussieht wie beim richtigen Fernsehen.
„Wenn Sie sich jetzt fragen: Mensch, wo sitzt der Reichelt denn da? Das sieht aber schick aus“, sagt Julian Reichelt, zurückgelehnt auf der Couch, mit überschlagenen Beinen, in einem Video von Anfang Juni auf Youtube, in dem er das neue Studio vorstellt. „Dann kann ich Ihnen voller Stolz mitteilen: Das ist das, was wir für Sie neu gebaut haben.“
Ob genau dieses Sofa von Studio Hamburg gebaut wurde, ist unklar. Dazu, um wie viele Möbel oder was für Dekorationselemente genau es ging und wie hoch die Auftragssumme war, macht Studio Hamburg „aus Vertraulichkeitsgründen“ keine Angaben. Nius hat eine entsprechende taz-Anfrage bis Redaktionsschluss nicht beantwortet.
Fest steht, was auf diesem Sofa vor der Kamera diskutiert wird: Evergreens sind zum Beispiel die Gleichsetzung von Migration und Kriminalität, das Gegeneinanderausspielen von armen Deutschen und vermeintlich gepamperten Geflüchteten, die Leugnung des Klimawandels, Gepolter gegen eine imaginierte links-grüne Hegemonie in Gesellschaft und Medien oder die Forderung, die Rundfunkgebühren der Öffentlich-Rechtlichen abzuschaffen.
Und was sagt der NDR dazu? Erstmal nichts. Der Sender verweist auf taz-Anfrage an Studio Hamburg. Auf Nachfrage schreibt die Pressestelle: „Der NDR hatte zum Zeitpunkt des Vorgangs keine Kenntnis und ist mit Studio Hamburg im Austausch.“
Ob die Zusammenarbeit in Zukunft weitergeführt werden wird, beantwortet weder der NDR noch Studio Hamburg.
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