Oberstes Gericht der USA: „Es wird eine Schwarze Frau“
In den USA müssen Richterämter des Supreme Courts neu besetzt werden. Präsident Joe Biden kann jetzt ein Wahlversprechen einlösen.
Der Zeitpunkt ist auch für die DemokratInnen gut gewählt. Denn noch verfügen sie über eine Mehrheit im Senat – sie ist hauchdünn, kann aber, wenn sie einig sind, für die Besetzung des Obersten Gerichtshofs reichen.
An den Mehrheitsverhältnissen unter den neun RichterInnen, die an der Spitze der Rechtsprechung der USA sitzen, wird sich freilich nichts ändern: Die sechs Konservativen und Erzkonservativen – darunter drei von Ex-Präsident Donald Trump ernannte – behalten die Kontrolle.
Ein Jahr und eine Woche nachdem Kamala Harris zusammen mit Biden an die Spitze der USA gekommen sind, hat der US-Präsident jetzt die Qual der Wahl für das oberste Gericht. Er kann unter zahlreichen hoch qualifizierten Kandidatinnen auswählen. Alle sind zwischen Mitte 40 und Ende 50 Jahre alt. Die meisten von ihnen haben an den Eliteuniversitäten Harvard, Yale oder Princeton studiert. Und viele kennen das oberste Gericht bereits von innen, weil sie ihre Karriere als Mitarbeiterinnen von obersten RichterInnen begonnen haben.
Schwarze Frauen wählten Biden
Unter Bidens Kandidatinnen befinden sich mehrere Richterinnen, die er selbst erst in den vergangenen Monaten für Bundesgerichte nominiert hatte. In seinen zwölf Monaten im Amt hat er acht Schwarze Frauen in Bundesgerichte geholt – das sind mehr, als alle vorausgegangenen US-Präsidenten zusammen. Schon afroamerikanische Männer hatten erst spät eine Chance, Karriere in den obersten Instanzen der US-Gerichte zu machen. Die ersten von ihnen wurden vor acht Jahrzehnten Bundesrichter. Weiße Frauen drangen rund zwei Jahrzehnte nach ihnen erstmals auf die Bänke in den Bundesgerichten vor.
Die Ankündigung ist auch vor dem Hintergrund zu verstehen, dass der US-Präsident den afroamerikanischen WählerInnen insgesamt und den afroamerikanischen Frauen im Besonderen viel schuldig ist. Im Februar 2020, als Biden nur einer von mehr als einem Dutzend KandidatInnen für das Weiße Haus war, wurde der einflussreiche und langjährige Kongressabgeordnete James Clyburn zu seinem Präsidentenmacher.
Bei einem Besuch des Kandidaten in Clyburns South Carolina stellte sich der afroamerikanische Abgeordnete so nachdrücklich hinter Biden, dass der seither auf die Unterstützung des größten Teils der afroamerikanischen WählerInnen des Landes setzen konnte. Der am stärksten geschlossene Block war jener der afroamerikanischen Frauen: Sie stimmten zu 90 Prozent für Biden.
In dieser Woche versuchte Clyburn erneut sein Glück. Er schlug Richterin J. Michelle Childs aus South Carolina für das oberste Gericht vor. Er nannte die 55-Jährige, die nicht durch die Eliteschulen gegangen ist, eine Frau mit „tiefer rechtlicher Erfahrung“. Zu den anderen möglichen Kandidatinnen für das oberste Gericht gehören Leondra Kruger, 45, die gegenwärtig am State Court in Kalifornien sitzt, Ketanji Brown Jackson, 51, die gegenwärtig am Berufungsgericht in Washington, D. C., sitzt, und Sherrilyn Ifill, 59, die ihre Karriere als Anwältin und Bürgerrechtsaktivistin gemacht hat.
Gericht mit tiefen Gräben
Die künftige oberste Richterin wird ein Amt auf Lebenszeit erhalten. Auf ihrem Tisch werden die meisten strittigen Fragen der USA landen. Und sie wird einem Gericht mit vorsitzen, das entlang ideologischer und parteipolitischer Fragen tiefer gespalten ist, als es je zuvor der Fall war.
Besonders tief sind die Gräben bei Themen, entlang derer sich die neue Rechte in den USA in den vergangenen Jahren entwickelt hat: Abtreibung, Schusswaffen, Gewerkschaften, Wahlrecht, Wahlfinanzierung sowie soziale, ökonomische und ökologische Auflagen für Konzerne.
Der scheidende Richter Breyer ist mit 83 Jahren der Älteste am Gericht. Seine Entscheidung zum Rücktritt ist möglicherweise eine Lehre aus dem Tod von Ruth Bader Ginsburg. Die von Linken verehrte „RBG“ ist im Jahr 2020 im Alter von 87 Jahren an Krebs gestorben. Sie hat an ihrem Amt festgehalten, als in der Amtszeit von Barack Obama die DemokratInnen noch die Mehrheit im Senat hielten.
Sie erkannte erst spät, wie stark die Rechten im Land geworden waren. Unterdessen bereiteten im Hintergrund die konservativen „Föderalisten“ die Umkehr der Mehrheitsverhältnisse an dem obersten Gericht vor, suchten Konservative als KandidatInnen aus und brieften Republikanische PolitikerInnen. Bei RGBs Tod setzten die RepublikanerInnen unter Donald Trump in einem schnellen Verfahren mit Amy Coney Barrett das politische Gegenteil der linken Richterin an das oberste Gericht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos