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Obama in ArgentinienHauptsache, es gibt ein Foto

Ausgerechnet zum Gedenktag des Militärputsches kommt Obama nach Argentinien. Opfer und Organisationen äußern ihren Unmut.

Gedenken für das Foto: Die Präsidenten Obama und Macri werfen Blumen ins Meer, für die Opfer der Militärdiktatur Foto: dpa

Buenos Aires taz | 24. März: Argentinien gedenkt des 40. Jahrestags des Militärputsches und seiner Opfer. Der Tag fiel zusammen mit dem Besuch des US-Präsidenten Barack Obama, dessen Auftritt zusammen mit Präsident Mauricio Macri mit Spannung erwartet wurde. Doch er fiel eher nüchtern aus. Außer ausgewählten Medien war niemandem der Zugang in den Parque de la Memoria (“Park der Erinnerung“) gewährt worden. Ebenso wenig gab es Livebilder vom Rundgang der beiden Präsidenten.

In seiner kurzen Ansprache lobte Obama den Mut der Opfer und deren Angehörigen für den Einsatz für die Menschenrechte. Kein Wort verlor er über die Verstrickung der USA in den Putsch, stattdessen hob er die Bemühungen der US-Botschaft hervor, bei der Suche nach den Verschwundenen geholfen zu haben. Am Ende wiederholte Obama die schon vor Tagen gemachte Ankündigung, Unterlagen aus den Archiven der Militärs und Geheimdienste offenzulegen.

Bereits am Vortag hatte Obama auf die Frage eines Journalisten über die Rolle der USA bei den Militärputschen der 1970 Jahre eher ausweichend geantwortet. Es habe in der US-Politik glorreiche, aber auch weniger produktive und schlechte Momente gegeben. In den 1970er Jahren hätten sich die USA ebenso stark für die Menschenrechte eingesetzt wie auch für den Kampf gegen den Kommunismus. Man sei jedoch in den letzten Jahren sehr selbstkritisch gewesen.

Am 24. März 1976 putschte das Militär in Argentinien. Als oberster Chef der Streitkräfte hatte Jorge Rafael Videla zusammen mit Admiral Emilio Massera und General Orlando Agosti die damalige Präsidentin Isabel Perón abgesetzt. Als De-facto-Präsident löste Videla die Parteien auf und schaffte das Parlament ab.

Was folgte, war eine als „Prozess der nationalen Reorganisation“ bezeichnete Herrschaft, unter der politische Gegner gnadenlos verfolgt und eine radikal neoliberale Wirtschaftspolitik eingeführt wurde. Menschenrechtsgruppen schätzen, dass in den über 300 geheimen Gefangenenlagern bis zum Ende der Diktatur im Jahr 1983 rund 30.000 Menschen ermordet wurden oder bis heute verschwunden sind.

Menschenrechtsorganisationen sagten ab

Zwar waren die Menschenrechtsorganisationen zu Obamas Auftritt eingeladen, aber eine nach der anderen sagte ihr Erscheinen ab. In einem offenen Brief nannten Opfer der Diktatur und deren Familienangehörigen den Auftritt Obamas im Parque de la Memoria „eine Beleidigung der Erinnerung an die Opfer“. Alle US-Regierungen „haben die Militärs unserer Länder in der berühmten Escuela de las Américas [School of the Amercas] ausgebildet. Dort wurde sie hingeschickt, um in den Fächern Folter, Infiltrieren und Verschwindenlassen von unseren Familienangehörigen und Compañeros ihr ‚Diplom‘ zu machen, heißt es in dem Schreiben.

Als eine der ersten hatte Hebe de Bonafini, die Vorsitzende der Madres de Plaza de Mayo das Zusammentreffen mit dem US-Präsidenten abgelehnt. Obamas Ankündigung, Dokumente und Unterlagen freizugeben kommentierte sie: „Mir tut es weh, wenn Menschenrechtsgruppen sich zufrieden zeigen, weil es heißt, Obama werde ihnen Archive übergeben. Wir wissen doch was passiert ist, vierzig Jahre später macht das keinen Sinn.“

Auch Nora Cortiñas, Vorsitzende der Vereinigung der Madres de Plaza de Mayo-Línea Fundadora, bleibt bei der Dokumentenfreigabe ebenfalls skeptisch. Schon einmal habe die US-Regierung „etwas aus den Archiven geschickt, aber das waren Seiten mit geschwärzten Namen. Ich bin sicher, dass diesmal, das gleiche passieren wird. Es werden geschwärzte Dokumente kommen, wie damals“, so Cortiñas.

Ursprünglich hatte die Regierung von Präsident Macri Obama für den 24. März zu einem Besuch in die ESMA eingeladen, der Mechanikerschule der Marine in Buenos Aires, die eines der größten geheimen Gefangenen- und Folterlager war der Militärdiktatur war. Nachdem sich die US-Administration klar geworden war, welch zentraler Ort die ESMA für den Terror der Diktatur darstellt, wich man auf den Parque de la Memoria aus. Ein Schritt, der von der argentinischen Regierung mehrfach bedauert wurde. Ohnehin scheint Macri das Erinnern an die Diktatur ändern zu wollen. So hat er den Direktor des nationalen Erinnerungsarchivs, Horacio Pietragalla, entlassen.

Präsident Macri wird der Rücken gestärkt

Für Macri selbst ist der Besuch Obamas ein Hochglanzerlebnis. Zwar trat bei dem Argentinier neben dem medienerprobten und lockeren US-Amerikaner deutlicher als sonst seine hölzerne Haltung und verkrampfte Anspannung zu Tage, aber bleiben werden am Ende die offiziellen Fotos. Und von denen hat Macri, gerade mal 100 Tage im Amt, schon einige wichtige gesammelt. Als erster war Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi zu Besuch in Buenos Aires, nur wenig später Frankreichs Präsident François Hollande.

Obama bedachte seinen Amtskollegen mit Lob: „Argentinien nimmt seine regionale Führungsrolle an.” Unter Macri hat sich die argentinische Außenpolitik eindeutig nach Westen ausgerichtet. Darin eingebettet sind denn auch die wichtigsten Abkommen und Vereinbarungen, die während Obamas Aufenthalt unterzeichnet wurden. Ein Kooperationsabkommen bei der Verbrechensbekämpfung, Vereinbarungen zur Sicherheit von Investitionen und vor allem die gemeinsame Bekräftigung der Rolle der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und des Interamerikanischen Systems für Menschenrechte.

In den vergangenen fünfzehn Jahren ging es den eher links orientierten Regierungen darum, die südamerikanische Staatengemeinschaft Unasur als eigenständiges regionales Gremium zu stärken und der von den USA dominierten OAS weniger Gewicht zu geben. Die USA sind nur in der OAS vertreten. Zur OAS gehören die Interamerikanische Menschenrechtskommission und der Gerichtshof für Menschenrechte. Beide wurden von den Regierungen in Venezuela, Bolivien und Ecuador schon mehrfach in Frage gestellt.

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