OTTO SCHILY BESCHÖNIGT DIE CHANCEN DES NPD-VERBOTS: Das Dilemma der V-Leute
Bundesinnenminister Otto Schily will retten, was zu retten ist: Er hält die V-Leute, die in den NPD-Verbotsanträgen aufgetaucht sind, für eine „Kleinigkeit“, für Randfiguren. Die Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Ute Vogt, versichert, dass sich hinter den 14 NPD-Funktionären, die dem Bundesverfassungsgericht als Zeugen benannt wurden, keine weiteren V-Männer verbergen. Der aufgeflogene Wolfgang Frenz sei der einzige. Manche mögen das interessant finden – für das NPD-Verbotsverfahren ist es unerheblich.
Denn der Verbotsantrag beruht keineswegs nur auf den Aussagen dieser 14 NPD-Zeugen – die Begründungsschreiben sind durchsetzt mit hunderten von so genannten „Behördenzeugnissen“. Unter ihnen dürften sich auch eine ungewisse Zahl von V-Mann-Aussagen und -Taten befinden. Das zumindest war nach der jüngsten Anhörung von Schily im Innenausschuss zu erfahren. Das Dilemma: Damit sind potenziell sämtliche Beweisführungen im NPD-Verbotsantrag dubios. Doch leider weiß niemand, welche Passagen von V-Männern stammen.
Unklar bleibt, ob überhaupt irgendjemand sicher sagen kann, wer von welchem Dienst als Maulwurf geführt wurde. Bundesinnenminister Otto Schily soll im Innenausschuss widersprüchliche Angaben gemacht haben, nennt aber keine konkreten Zahlen oder gar neue Namen. Konsequenz: Der Innenausschuss weiß nichts, das Verfassungsorgan Bundestag kann seinen eigenen Verbotsantrag nicht bewerten.
Die allgemeine Unübersichtlichkeit bedeutet auch: Die Antrage können nicht einfach überarbeitet werden, indem die Prozessbevollmächtigten die V-Mann-Aussagen schlicht streichen. Dies wäre im Übrigen selbst dann nicht möglich, wenn man die Behördenzeugnisse einzelnen V-Männern sicher zuordnen könnte: Denn würden Passagen einfach gestrichen, könnte die NPD durch einen Abgleich der neuen Verbotsbegründungen mit der ersten Fassung ermitteln, wer in ihren Reihen über Jahre spioniert hat
Die etwas bizarre Folge: Der Einzige, dem es gelingen könnte, sich einen leidlichen Überblick über die Spitzel in der NPD zu verschaffen, ist ihr Anwalt Horst Mahler. Sollte es ihm gelingen, weitere V-Leute zu bewegen, sich ihren Parteikameraden zu offenbaren, könnte er die Beweismittel stückchenweise auseinander nehmen. Er könnte Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung immer wieder vorführen.
Das NPD-Verbotsverfahren ist gescheitert. Es wird nicht mehr gelingen, gerichtsfeste Beweise beizubringen. Das ist tragisch. Denn die Erkenntnisse der V-Leute wären gar nicht nötig gewesen, um ein Verbot zu begründen – wie selbst SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz im Innenausschuss einräumen musste. Die Verfassungsfeindlichkeit der NPD liegt auf der Hand. ANDREAS WYPUTTA
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