OSZE-Konferenz in Wien: Russen dürfen in die Hofburg
Russland hat Delegierte auf die Staatenkonferenz der OSZE entsendet. Die Ukraine und Litauen sagen ihre Teilnahme an dem Gipfel deshalb ab.
Das Datum könnte nicht unglücklicher gewählt sein: Ausgerechnet am Donnerstagabend, nur wenige Stunden vor dem Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine, tritt in Wien die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu ihrer zweitägigen parlamentarischen Tagung zusammen. Üblicherweise ist das Wintertreffen der 57 Staaten aus Europa, Asien und Nordamerika den Medien nicht mehr als eine Kurzmeldung wert. Diesmal ist das anders, denn die ukrainischen Delegierten wollen nicht mit den Russen an einem Tisch sitzen.
UN-Vollversammlung Am Donnerstag sollte in der UN-Vollversammlung in New York eine weitere Resolution zur Ukraine abgestimmt werden. Die ersten drei der insgesamt elf Forderungen unterstreichen die Notwendigkeit, so schnell wie möglich einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine zu schaffen. In den weiteren Paragrafen wiederholt die Resolution die Forderung an Russland, sich vom Gebiet der Ukraine in den international anerkannten Grenzen zurückzuziehen und Angriffe auf zivile Ziele und die kritische Infrastruktur der Ukraine sofort einzustellen.
Globaler Süden Mit Spannung wurde erwartet, welche Unterstützung die von zunächst 57 Staaten, darunter allen Nato-Mitgliedern, eingebrachte Resolution im Globalen Süden erhält. Insbesondere Staaten wie Indien, Südafrika und Brasilien hatten sich in der Vergangenheit mehrfach enthalten. Südafrika führt gleichzeitig dieser Tage ein gemeinsames Seemanöver mit China und Russland durch. Das Abstimmungsergebnis stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Provokationen in der Republik Moldau Das russische Verteidigungsministerium hat am Donnerstag vor militärischen Provokationen der Ukraine in der von Moldau abtrünnigen Region Transnistrien gewarnt. Zu diesem Zweck würden Angehörige der ukrainischen Streitkräfte mit Unterstützung des Bataillons Asow russische Uniformen anlegen, heißt es in entsprechenden Erklärungen. Die Regierung Moldaus bestätigte diese Informationen nicht, rief die Bevölkerung jedoch dazu auf, Ruhe zu bewahren. Vor einigen Tagen hatte Moldaus Präsidentin Maia Saunter unter Verweis auf Informationen des ukrainischen Geheimdienstes vor einem von Russland orchestrierten Umsturzversuch in Moldau gewarnt.
Transnistrien Die Region ist das Ergebnis eines Bürgerkriegs zwischen Russen, Ukrainern sowie Moldauern in den 90er Jahren. Das quasi staatliche, von Russland gestützte Gebiet, das der Kontrolle Chișinăus entzogen und international nicht anerkannt ist, grenzt an die Ukraine. Derzeit sind dort rund 1.500 Soldaten stationiert. Unter anderem bewachen sie ein Depot, in dem 20.000 Tonnen Munition noch aus sowjetischer Produktion lagern. (bo, pkt)
Anna Paterman, die Wortführerin der Demonstranten, findet das richtig: „Zum Dialog braucht es zwei Parteien. Wenn eine Partei davon einfach machtbesessen ist, egal, was es kostet, dann finde ich, sollte man diese Partei nicht zum Dialog einladen.“
Geht es nach der Ukraine, hätte der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) die Russen, die mit ihrer Aggression gegen die OSZE-Charta verstoßen, ausladen müssen. 81 Abgeordnete aus 20 Ländern hatten bereits Anfang Februar an Österreich appelliert, die Teilnahme der russischen Delegation an der OSZE-Tagung in Wien zu verhindern.
Parlamentarier aus Polen, Litauen, Belgien, Kanada, Tschechien, Dänemark, Estland, Frankreich, Georgien, Deutschland, Island, Lettland, den Niederlanden, Norwegen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Schweden, der Ukraine und Großbritannien unterzeichneten das Schreiben. Dennoch, beschied der Minister: Durch das Amtssitzabkommen sei Österreich völkerrechtlich verpflichtet, Abgeordneten aus allen Mitgliedsstaaten, eben auch aus Russland, Visa auszustellen. Polen hätte beim jüngsten OSZE-Treffen anders verfahren können, da es eben nicht Sitzstaat ist.
In Wien ist man sich der Peinlichkeit dieser Entscheidung durchaus bewusst. Deswegen wird von Regierungsseite ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Visa einzig zur Teilnahme an der Konferenz und nicht zum Auftritt bei anderen Veranstaltungen berechtigten. Laut Gerüchten will der eine oder andere am Freitag am rechten Akademikerball, der von FPÖ-nahen Burschenschaften ausgerichtet wird, auftauchen. Eingeladen habe sie niemand, beteuern die Veranstalter. Diplomaten bezweifeln, dass dieses Verbot im Fall eines Verstoßes auch exekutiert werden könnte.
Österreichs Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) als Gastgeber des Treffens versäumte es nicht, den Tabubruch des russischen Einmarsches in die Ukraine zu verurteilen. Der Krieg werde aber einmal enden, sagt er, und dann sei Diplomatie gefragt: „Es ist unsere Pflicht, die Tür der Diplomatie nicht zuzuschlagen.“
Moskau macht sich ein Vergnügen daraus, ausgerechnet solche Abgeordnete zu entsenden, die auf der Visa-Sperrliste der EU stehen. Das trifft zumindest auf sechs der neun Delegierten zu. Darunter der Putin-Vertraute Pjotr Tolstoi, ein Urenkel des Schriftstellers Leo Tolstoi, der bei einem Auftritt im russischen Fernsehen die Ukraine „ins 18. Jahrhundert zurückbomben“ wollte; und der Vorsitzende des Außenausschusses in der Duma, Leonid Sluzki, der für die Hinrichtung von Kriegsgefangenen plädiert hat.
Für den ukrainischen Delegationsleiter Mykyta Poturajew ist die Präsenz der Russen unerträglich. Die russischen Abgeordneten würden versuchen, die Veranstaltung „als Propagandashow“ zu verwenden: „Wir haben Würde, Ehre und sind keine Puppen in einer russischen Muppet-Show.“ Die Ukrainer werden, ebenso wie die Delegation aus Litauen, nicht an der Tagung teilnehmen. Andere Delegationen denken daran, durch ukrainische Fähnchen Solidarität zu zeigen oder den Saal zu verlassen, wenn russische Abgeordnete Propagandareden halten sollten.
Die Schwedin Margareta Cederfelt, die turnusmäßig den Vorsitz führt, hat den ÖVP-Abgeordneten Reinhold Lopatka zum Sonderbeauftragten der Versammlung für den parlamentarischen Dialog mit der Ukraine ernannt. Journalisten und Journalistinnen sind „aus logistischen und sicherheitstechnischen Gründen“ nicht in der Hofburg zugelassen. Das Treffen wird aber auf Youtube und Facebook übertragen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr