OB-Stichwahl in Schwerin: Genervt von der AfD
Rico Badenschier (SPD) gewinnt die Stichwahl in Schwerin und bleibt Oberbürgermeister. Durch seinen AfD-Kontrahenten sieht er den Ruf der Stadt ruiniert.
![Badenschier freut sich mit geballten Fäusten über Wahlsieg, neben ihm steht Manuela Schwesig Badenschier freut sich mit geballten Fäusten über Wahlsieg, neben ihm steht Manuela Schwesig](https://taz.de/picture/6337978/14/413666524-1.jpeg)
Badenschier erhielt 67 Prozent der Stimmen, Holm 32. Knapp die Hälfte der Wahlberechtigten beteiligten sich an der Abstimmung, die nötig geworden war, weil im ersten Wahlgang niemand die absolute Mehrheit erringen konnte.
Auf seiner Website schaut der 44-jährige Badenschier freundlich drein, mit Hemd und Jackett, ohne Krawatte. Im Interview mit dem NDR wirkt er nach der Wahl dagegen reichlich genervt: Immer nur gehe es um die AfD. „Ich glaube, dass diese zwei Wochen der Außenwahrnehmung von Schwerin mehr geschadet haben, als wir in ein oder zwei Jahren wieder reinholen können.“
Zwischen Wahl und Stichwahl habe es Holm geschafft, „unsere Stadt in ein blaues Licht zu tauchen“ – in die politische Farbe der AfD. Dabei sei Holm jemand, „der erkennbar gar nicht Bürgermeister werden wollte“. Entsprechend fühle er „ein kleines bisschen Groll“ – darüber, dass es „in den überregionalen“ Medien nur darum ging, wie das mit der AfD in Schwerin überhaupt passieren konnte.
Der blaue Schein soll weg
Badenschier ist seit 2016 Oberbürgermeister der Stadt. Davor arbeitete er als Oberarzt für Neuroradiologie. Studiert hat er gebürtige Chemnitzer in Marburg und Kiel. Vor seinem Amtsantritt saß er bereits zwei Jahre in der Stadtvertretung Schwerins.
„Ich hoffe, dass wir diesen blauen Schein von uns möglichst schnell wegkriegen und wieder die weltoffene tolerante Stadt sind“, sagt er dem NDR weiter. „Dieses Bild müssen wir deutschlandweit wieder neu zeichnen.“ Auf dem Plan stehe zudem die Fortschreibung des integrierten Stadtentwicklungskonzepts, sagt er. Bereits am Montagmorgen stünden die ersten Termine an. Neben dem Groll – und der Freude über die Wiederwahl – hat Badenschier auch „Ehrfurcht und Demut“ vor der Aufgabe, die vor ihm liegt. „Es sind schwere Zeiten.“
Auch andere Orte stehen vor der Situation, aus der Schwerin noch einmal davongekommen ist: Im Thüringer Landkreis Sonneberg entscheidet am kommenden Wochenende ebenfalls eine Stichwahl über den künftigen Landrat. AfDler Robert Sesselmann tritt gegen den CDUler Jürgen Köpper an. Sesselmann war im ersten Wahlgang nur knapp gescheitert; er bekam 47 Prozent der Stimmen.
Und in Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt fand parallel zur Schweriner Stichwahl der erste Durchgang der Bürgermeisterwahl statt – auch hier muss eine Stichwahl für das Ergebnis sorgen, auch hier tritt in zwei Wochen die AfD an.
In Schwerin war die Ausgangslage eine etwas andere: Hier lag Badenschier bereits im ersten Durchgang deutlich vorn. Danach hatten CDU, Grüne und Linke eine Wahlempfehlung für den SPD-Kandidaten ausgesprochen. Doch kann das auf Dauer eine Strategie sein, auf Stichwahlen zu hoffen und diese nach dem „Alle gegen einen“-Prinzip zu überstehen?
Zweifel an dieser Strategie gibt es: Die FDP in Schwerin hat bei dem Prozedere jetzt schon nicht mitgemacht. Sie sprach sich nicht für die Wahl von Badenschier aus, sondern hielt sich lieber raus. Kreisvorstand Paul Bressel bezeichnete die Wahl sogar als eine „zwischen Pest und Cholera“. Die Bundespartei hat diese Haltung der Schweriner Kolleg*innen inzwischen kritisiert.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Zwei Todesopfer nach Anschlag in München
Schwer verletzte Mutter und Kind gestorben