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Nutzen einer TherapieAuf die nächsten sechs Jahre

Viele Menschen denken, durch eine Therapie würde man „repariert“. Unsere Autorin brauchte selbst lange, bis sie verstand, dass das nicht möglich ist.

Wo klemmt's denn? Foto: Joerg Boethling/imago

S eit knapp sechs Jahren führe ich eine Beziehung; die vermutlich stabilste meines bisherigen Lebens. Anfangs sahen wir uns einmal die Woche, mittlerweile zweimal. Zögerlich öffnete ich mich, sprach von vergangenen Liebschaften und Verletzungen, über meine Ängste und Wünsche und irgendwann sogar über meine Kindheit.

Die Rede ist von meinem Therapeuten. Und die Beziehung ist natürlich eine rein professionelle. Sechs Jahre, werden sich manche denken, und sie ist immer noch nicht „geheilt“? Bringt so eine Therapie dann überhaupt etwas? Ja, tut sie. „Vielerorts hat sich die Überzeugung durchgesetzt, psychische Heilung bestünde darin, dass man einige halb verdrängte dramatische Ereignisse in seinem Leben ausfindig macht und die damit verbundenen schmerzhaften Erinnerungen, Gedanken und Gefühle bespricht, woraufhin sich die psychischen Schwierigkeiten auflösen würden“, schreibt Daniel Schreiber in seinem Buch „Zuhause“.

Auch ich habe lange geglaubt, eine Therapie sei dafür da, ein spezifisches Trauma in meiner Biografie aufzuspüren, etwas daran herumzukneten und es durch einen magischen Kniff zu lösen. Dass dem nicht so ist, merke ich, seitdem ich eine Psychoanalyse mache, die sich dadurch auszeichnet, dass man immer wieder auf dieselben Probleme und Schmerzen zu sprechen kommt. Klingt anstrengend? Ist es auch.

Hilfe durch Telefonseelsorge

Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/1 11 01 11 oder 08 00/1 11 02 22) oder www.telefonseelsorge.de besuchen. Dort gibt es auch die Möglichkeit, mit Seel­sor­ge­r*in­nen zu chatten.

Ohne Anstrengung und vor allem Zeit geht es leider nicht. Dass man davon viel investieren muss (wenn auch nicht immer gleich sechs Jahre), mag anfangs nicht immer klar sein. Hätte ich es gewusst, ich weiß nicht, ob ich je angefangen hätte. Ob ich dann aber noch hier wäre, gar die Möglichkeit hätte, darüber zu schrei­ben? I doubt it.

Lernen, Schmerzen zu erkennen

Denn besonders bei einer wiederkehrenden sogenannten rezidivierenden depressiven Störung ist eine Therapie unerlässlich. Obwohl sie vielleicht nicht reparieren kann, was irgendwann kaputtgegangen ist, lehrt sie, Schmerzen, Ängste und Probleme zu erkennen. Ich stelle mich ihnen regelmäßig in einem geschützten Raum, verleugne sie nicht, und wenn doch, ist da jemand, der mich darauf hinweist. Das braucht Kraft, macht aber auch stark, weil man sich selbst zu ermächtigen lernt.

Ich schreibe das, weil ein Familienmitglied kürzlich sagte: „Sie macht doch Therapie, warum fühlt sie sich dann noch so?“ Gemeint war in dem Fall nicht ich, aber dennoch erschütterte mich die Aussage. Auch, weil ich meine eigene Erwartung darin wiedererkannte. Dass Dinge, mit denen ich hadere, die einer therapeutischen Behandlung bedürfen, behoben werden – ich quasi repariert werde.

Lisa McMinn, die im Dezember einen Text über ihre Angststörung im Zeitmagazin veröffentlichte, schrieb darin, dass sie sich von der Erwartung, repariert zu werden, nun trenne. Ich werde mir daran ein Beispiel nehmen und das zu meinem verspäteten Neujahrsvorsatz machen. Also auf die nächsten sechs Jahre!

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Sophia Zessnik
Redakteurin für Theater
Sophia Zessnik ist seit 2019 bei der taz und arbeitet in den Bereichen Kultur und Social Media. Sie schreibt am liebsten über Alltägliches, toxische Männlichkeit und Menschen im Allgemeinen. In ihrer Kolumne „Great Depression“ beschäftigt sie sich außerdem mit dem Thema psychische Gesundheit.
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17 Kommentare

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  • Der gute Trauer- und Lebensentwicklungsunterstützer Jorgos Canacakis sagte immer, es geht nicht um Probleme lösen, es geht darum sich weiter zu entwickeln, im achtsamen Versuchen den Schmerz auszudrücken, die verdrängten Gefühle zu zeigen, die Wunschbilder zu verabschieden und immer wieder zu trauern als Praxis der Gewinnung von Lebendigkeit im bewussten Abschied nehmen vom Verlorenen. Das ist kein Prozess der je endet, sondern letztlich einfach Leben und gute Therapeuten eröffnen dafür behutsam Räume.

  • Das Problem ist doch, dass einen die Therapeuten selbst bzw. weite Kreise der Psychologische/Psychiatrischen und Medizinischen Fachwelt glauben machen wollen, es handle sich um eine "Behandlung" mit klarem Start, Intervention, und erfolgreichem Schluss. Und auch die KK rechnet so ab.

    • @Minniemaus:

      Da beißenmer der micro Maus 🐁 ihren Schwanz der Metaebene mal ab:



      “…is doch eh alles Mumpitz! Gelle.



      Normal Schonn - wa!“

      Vorab - welche Entwicklungen zu konstatieren sind - vieles noch in den Kinderschuhen - offener Horizont - könnse klug nachlesen bei Eric Kandel - der aus seiner Sicht - sich als “gelernter“ Freudianer/Analytiker darüber “ganz im Sinne Freuds!“ - naturwissenschaftlich hinaus zu bewegen versucht.

      Liggers. Solange da noch Ungewissheit & viel Luft nach oben ist! Was tun? Lenin läßt grüßen. Die derzeitigen Erfahrungen - die Zahlen zu psychischen Erkrankungen - sind so signifikant - daß es gemäß Art 2 GG - zu den staatlichen Aufgaben gehört - ein dieser staatlichen Verpflichtung genügendes Gesundheitssystem auch für diese Erkrankungen - zu garantieren! Was denn sonst.



      & Sie inhumaner Schlauberger =>



      Meine Erfahrungen - erst eher interessierter & aktiver Flaneur (hätte gut Arzt werden können - konnte meinen Patenonkel - Arzt in HH - aber nicht leiden!;)(



      & dann als mich mit 58 vom 🛷 haute -



      (…was ich a fact niemanden wünsche!;((



      Kliniken - höchst unterschiedlicher Qualität Machart & Ansätzen - das ja.



      Aber - häufig überbelegt - früh & vor allem anfangs mit Medikamentierung “rosa Wölkchen“ etc unterwegs. But.



      Von - Ausreißern mal ab (oh ja - auch erlebt - heiliger Strohsack!) - Könner in schwierig zu organisierenden Tätigkeitsfelder (Blaubeleuchtung in Toiletten etc in LKAs sprechen eine klare Sprache •



      & dann wieder ins “reale Leben“ d.h amulante Therapie!



      Als hie wie da Privilegierter (auch wg Vorerfahrungen & mal zuständig für ArzneimittelR) - treffe noch heute hie & da einen “Klinikmitinsassen“ (da is was dran s. => de.wikipedia.org/wiki/Antipsychiatrie



      Hatte ich es vergleichsweise leicht.



      Aber als oft ohnehin gern etwas schräg gebauter psychisch Kranker ist das - raus aus der organisiert ambulante in die Einzeltherapie - Wahl & vs Kasse Versicherung etc ein Angang. Schonn.



      Aber - ff

      • @Lowandorder:

        Aber - ff - angesichts der Ausdifferenziertheit psychischer Erkrankungen - kann eine therapeutische Entsprechung nicht garantiert werden.



        Wie denn?!



        Nur Scharlatane & ähnlich vollmundige - die im Dissen anderer (Ansätze) sich verlieren - sind dreist genug - anderes zu behaupten.



        (Aus dem Skat => Paradoxien inclusive =>



        Als “Anhänger von Gestalt Pearls de Roeck & Co. unterzog ich mich schließlich einer Psychoanalys (meine Systemikerin “Nein. Nein. Das geht in Ordnung: ein Mann & die Besonderheit dieser Therapie!“ & in der Tat - wir waren uns gleich zu Anfang einig: Im normalen Leben - hätten wir nur Krach & more miteinander! But. “Sie haben bisher bei Ihrem Ritt über den Bodensee dank Talenten Begabungen Felderwechsel etc die Löcher 🕳 🕳 🕳 🕳 vermieden. Aber jetzt sind sie in das entscheidenden reingefallen. Da gibt es kein zurück. The only way out is through!“

        kurz - Als ich ihn nachsichtig als der sehen konnte - der er im normalen Leben war.



        Mußte ich lachen.



        Dafür & für alles - bin ich ihm - einem Könner - bis heute dankbar. “Lachst du mi an - oder lachst du mi uut?!“ Das wird unbeantwortet bleiben.

        Soweit mal - das soll mal reichen.



        &



        Ende des Vorstehenden

  • Vielen lieben Dank für diesen schönen Artikel - genau was ich heute brauchte!

  • Oh ja, der Psychotherapeut ist kein Reparaturservice. Eher die Werkstatt zum Selbstfriemeln am Oldtimer unter Anleitung...mit Erhalt der schönen alten Patina. Da sollte Zeitvorgabe keine Rolle spielen.

  • Psychtherpie hat Nebenwirkungen, Manche sind nützlich.

  • Danke für diesen Beitrag.

  • Schade dass hier Therapie synonym mit Psychoanalyse genutzt wird. Es gibt Therapien und Behandlungsmethoden, die deutlich rascher und effizienter sind. Es ist nicht notwendig, dass man sich in die dauerhafte Abhängigkeit eines Therapeuten begibt. Die Psychoanalyse mag für einzelne Menschen hilfreich sein, für die Masse ist es eher nicht geeignet und oftmals sogar schädlich.

    • @TazTiz:

      Sorry aber mir geht's wie lowandorder. Mir gings vor 5 Jahren wirklich echt beschissen und nicht zum ersten Mal im Leben und auch wegen Schicksalsschlägen die ich nicht selber verursacht habe. Auf der Suche nach Hilfe war ich mit mindestens 8 Therapeut:innen in Kontakt (inkl. ein kurzer Klinikaufenthalt), welche durchs Band weg nur eins wollten: Mir nach einem ersten Kurzgespräch eine Diagnose überstülpen, um mich anschliessend hängen zu lassen (weiterschicken zu nochmal anderen "Experten") und/oder meine Wahrnehmung der Situation einfach rundweg zu leugnen und mir einzureden, mein Problem sei doch eigentlich gar keines oder ein ganz anderes.



      Eine warf mich richtiggehend raus ink. persönliche Beleidigungen, nachdem ich nicht innert den ersten 4 Sitzungen positiv auf ihre VT-Tricklein "ansprach" sondern nach wie vor tief unglücklich und depressiv war. Als Patientin in dieser Situation wird man immer verzweifelter und immer mehr und mehr stigmatisiert! Denn beim nächsten Therapeuten bist du ja dann die mit den häufigen Therapeutenwechseln - da ist das Misstrauen von Anfang an da!

      Eine hilfreiche Therapeutin fand ich nach ca. 10 Jahren des Leidens jetzt eigentlich nur dank privaten Beziehungen - anderen wäre so etwas nicht vergönnt. Bin seit drei Jahren bei ihr und ja, das hat alles System und Methode, die sie mir gegenüber auch transparent macht (das tun die wenigsten), aber trotzdem ist sie offen für alle Abweichungen vom Plan die es braucht, damit SIE MICH verstehen kann (und nicht umgekehrt!!!).

      Ich bin selbst im Sozialbereich tätig und weiss dass Berater/Therapeuten/Ärzte auch nur Menschen sind aber seit dieser Erfahrung bin ich dezidiert der Meinung, dass das gesamte System rund um PT tiefe Systemfehler aufweist, die Betroffenen mehr schaden als helfen.

    • @TazTiz:

      "Es gibt Therapien und Behandlungsmethoden, die deutlich rascher und effizienter sind."

      Und die wären? Das ist eine ernst gemeinte Frage.

    • @TazTiz:

      Mit Verlaub - in praxi - oder angelesenes Zeugs? Soran Gestoppel könnte ich mühelos auch runterbeten. But. So what

      In der Sache: Mit schwerer Depression Klinikdrehtüreffekt - mit fetten Verfolgungswahneinsprengseln - verschiedene therapeutische Ansätze durchlaufen: - zuletzt systemische & sodann 2 1/2 Jahre Psychanalyse classic (~ Adlerianer). Letzterer - gerade verstorben - hat mich erfolgreich vom Selbstmord abgebracht. Bis ich über ihn lachen mußte. Dann war’s isses gut!



      Reparieren/Heilen - was immer das sagen soll - Für Depression - wie ich sie durchlebt habe vertret ich das folgende:



      “Krankheit - nunja - da muß was aufgeschrieben werden - damit Kasse & Versicherungen zahlen.“ Ansonsten geht es darum - sich mit einem Teil seiner Persönlichkeit (erfolgreich annehmend) auseinanderzusetzen - den frauman - aus welchen Gründen auch Immer - nicht kannte.

      • @Lowandorder:

        Tut mir wirklich leid für Sie, dass Sie so lange gebraucht und nebenbei so viele Therapeuten durchgefüttert haben. Aber ich stehe überwiegend auf der anderen Seite der therapeutischen Diade und weiß sehr wohl, wovon ich rede und worüber ich urteile.

        • @TazTiz:

          Sie haben also wie Linus - entschieden -



          “…ich werde Landarzt - endlich auf der richtigen Seite der ollen Nadel!“ - wenn ich “therapeutische Diade“ richtig deute.



          Mal ab vom unnötigen Leidtun - “egal welchen Weg du wählst - am Ende wird jemand stehn & auf dich warten & das wirst du sein“ - möchte nichts missen.



          (ok Bombardierung Dresden im Mutterleib/*45 - verzichtbar - aber allenfalls - “wer wäre ich denn dann?“)



          Ihre apodiktisches Statement - treibe mich etwa seit meinem 40. auf dieser Szene einschließlich Gestalt & Ausbildung als bodyworker (©soulpolishing;) rum - hat mich doch etwas erstaunt - um nicht zu sagen: unangenehm berührt.



          Gerade meine letzten Therapeuten - so verschieden ihre Ansätze - sind/waren - ich hatte zweifellos Glück - ausgewiesene Koryphäen auf ihrem Gebiet: entscheidend ist => “der richtige am richtigen Ort zur richtigen Zeit“ •

          kurz - Nischt for unjut. Aber wie der Bonmot zutrifft - “Juristen haben mit dem Recht so ihre Probleme“ - trifft das nach meiner Erfahrung für die Psychklempner auch zu!



          &



          Wennse ehrlich sind - sagen sie das auch

          • @Lowandorder:

            Alles richtig, nur: im Psychobereich bitte von sich auf andere schließen.

            • @TazTiz:

              Ja es gibt viele gute Therapien und Therapeuten. Und es kommt auf eine gute Diagnose an. Wenn es um frühe Störungen des Vertrauens geht, deutliche Bindungsstörungen, strukturelle Defizite,dann braucht es in jedem Fall lang, weil es um neue Tiefe Beziehungserfahrungen geht. Die verfestigen sich nicht in sechs Monaten. Wenn es eher um innere Konflikte mit gutem Strukturniveau geht, sind sicher VT und Systemischer Lösungsorientierte Verfahren die bessere und kürzere Wahl. One size fits all klappt nur beim Skinützenkauf. Seien wir froh über die therapeutische Vielfallt. Meiden wir die Orthodoxie

              • @Fabian Lenné:

                anschließe mich. Danke.