Nutella bald nur noch für Reiche?: Die Luxusnuss
Haselnussbauern beklagen Ernteausfälle. Das macht nicht nur Nussnougatcreme teuer. In den schlimmsten Fällen ist „Climateflation“ lebensgefährlich.
Eine gute und eine schlechte Nachricht, liebe Nutella-Junkies. Zuerst die gute: Ja, in Nutella sind tatsächlich Haselnüsse drin. Die Schlechte: Euer Stoff wird deutlich teurer! Grund dafür ist das Extremwetter in der Türkei. 70 Prozent aller industriell verarbeiteten Haselnüsse weltweit stammen von dort, ein Spätfrost zerstörte die Blüte, hohe Ernteausfälle sind die Folge.
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Der italienische Ferrero-Konzern gibt den Haselnussanteil seiner Nutella-Masse mit 13 Prozent an. Das entspricht bei einem 750-Gramm-Glas knapp 100 Haselnüssen. Nach Prognose des türkischen Statistikamtes können in diesem Jahr aber nur eine halbe Million Tonnen geliefert werden – ein Drittel weniger als normal. Entsprechend steigt der Preis.
Denn Nutella ist natürlich nicht das einzige Produkt, das haselnussig schmecken soll: Auch in Nougat und Pralinen steckt Corylus avellana, wie der Strauch wissenschaftlich heißt. Der ist auch in Deutschland heimisch, in Teilen sogar berühmt. In der DDR bekam Aschenbrödel „drei Haselnüsse“, die deutsch-tschechische Koproduktion wurde im Nachbarland zum besten Märchenfilm des 20. Jahrhunderts gewählt.
In Sambia hat sich der Maispreis verdoppelt
Tatsächlich aber interessieren sich Obstbauern hierzulande nicht für den kommerziellen Anbau, Apfel oder Wein stehen höher im Kurs: Fünf bis sechs Jahre Zucht sind erforderlich, bis die Haselbäume erste verwertbare Früchte tragen. Nennenswerten Anbau gibt es in Bayern, wo 260 Hektar Land mit Haselnussplantagen bepflanzt sind.
Haselnüsse sind nicht das erste Beispiel für „Climateflation“. Schokolade, wie unter anderem die von Ritter Sport, ist aktuell 30 Prozent teurer als im vergangenen Jahr. Nach Missernten in Ghana und der Elfenbeinküste stieg der Kakaopreis auf dem Weltmarkt auf ein neues Allzeithoch. In den beiden westafrikanischen Ländern werden rund drei Viertel des weltweiten Kakaos angebaut.
An der Spitze der Preistreiber steht momentan allerdings Olivenöl: Das ist in unseren Kaufhallen mehr als 50 Prozent teurer als Anfang des Jahrzehnts. Nach den Dürren rund um das Mittelmeer beklagten die Olivenbauern in Spanien und Italien drastische Ernteausfälle. Dazu kommen immer mehr Waldbrände, die auch vor Olivenhainen nicht haltmachen: In diesem Jahr traf es Plantagen auf Kreta und in der Türkei.
Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) kommt zu dem Schluss, dass Lebensmittel bis 2035 wegen des Klimawandels im Durchschnitt um 3,5 Prozent teurer werden – und zwar jedes Jahr aufs Neue.
Für uns mag das ärgerlich sein, für viele Menschen ist es lebensgefährlich: Nach einer extremen Dürre haben sich beispielsweise in Sambia die Preise für das Hauptlebensmittel Mais verdoppelt.
Die einen nennen das „Climateflation“. Die anderen, schuldlos Betroffenen, nennen es „Hunger“.
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