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Nullrunde beim BürgergeldDie Formel mit dem Rückwärtsgang 

Im Jahr 2025 soll es laut es Arbeitsminister Hubertus Heil keine Erhöhung des Bürgergelds geben. Er beruft sich auf eine Anpassungsformel mit Tücken.

Hier gibt es das Bürgergeld: Jobcenter in Hagen Foto: Funke Foto Services/imago

Beim Bürgergeld 2025 soll es eine Nullrunde geben. Das hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch in der Sendung „Frühstart“ von RTL und ntv angekündigt. Bei hoher Inflation müssten auch die Regelsätze entsprechend angepasst werden. Nun sei die Teuerungsrate aber kräftig gesunken. Deshalb sei der Rechtsmechanismus so, dass es Anfang 2025 keine Erhöhung beim Bürgergeld geben werde. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) protestierte umgehend.

Hintergrund von Heils Entscheidung ist die Anpassungsformel für die jährliche Erhöhung des Bürgergeldes. Worum es dabei geht, hatte die taz-Redakteurin Barbara Dribbusch bereits im Juni in diesem Text erklärt, den wir daher an dieser Stelle nochmals veröffentlichen.

Berlin taz | Keine Nullrunde beim Bürgergeld im Jahre 2025! Das forderte jetzt ein Zusammenschluss aus acht Wohlfahrts- und Sozialverbänden, Gewerkschaften und Arbeitslosengruppen. Die Initiatoren, darunter der DGB, der Paritätische Gesamtverband, die Diakonie, VdK und der SoVD wandten sich mit einem Appell an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), die Anpassungsformel für die Erhöhung des Bürgergeldes doch bitte wieder zu ändern. „Eine Nullrunde darf es nicht geben“, sagte Joachim Rock, kommender Hauptgeschäftsführer des Paritätischen.

Nullrunde beim Bürgergeld im Jahre 2025? Man reibt sich die Augen, schließlich ist das Bürgergeld Anfang des Jahres 2024 doch um 12 Prozent gestiegen, der Regelsatz erhöhte sich um 61 Euro auf nunmehr 563 Euro. Die Anpassungsformel für die jährliche Erhöhung des Bürgergeldes hatte die Inflation stärker berücksichtigt.

Umgehend beschworen Union und FDP das „Lohnabstandsgebot“, bloß nicht zu hoch sollte es sein, das Bürgergeld. Und nun das: Die nächste Erhöhung ab 2025 werde „sehr, sehr niedrig“ ausfallen, hatte Heil schon angekündigt.

Wieso aber könnte es eine Nullrunde geben, obwohl doch die Preise weiter steigen, wenn auch nicht mehr so krass wie in den vergangenen Jahren? Schuld an der Nullrunde ist eine Besonderheit der jährlich angewandten Fortschreibungsformel. Diese gilt seit der Einführung des Bürgergelds im Jahre 2023.

Zwei Teile der Fortschreibungsformel

Diese Formel besteht nämlich aus zwei Teilen, der Basisfortschreibung und der „ergänzenden Fortschreibung“. Dabei gibt es gewissermaßen einen eingebauten Rückwärtsgang, den man erst auf den zweiten Blick erkennt. Für die Rechnung muss man Mathe mögen.

Die Basisfortschreibung beruht auf einem Mischindex. Dieser setzt sich zu 70 Prozent aus der Entwicklung der Preise zusammen und zu 30 Prozent aus der Entwicklung der Nettolöhne. Die Entwicklung wird in zwei Zeitspannen gemessen und diese beiden Zeitspannen werden dann wiederum miteinander verglichen, um die prozentuale Erhöhung durch die Basisfortschreibung zu ermitteln.

Für die Erhöhung des Regelbedarfs zum 1. Januar 2024 zum Beispiel waren das die Zeiträume von Juli 2021 bis Juni 2022, verglichen mit den Zeiträumen von Juli 2022 bis Juni 2023. Diese Basisfortschreibung kam auf eine Steigerung von 9 Prozent.

Zu dieser Steigerung kam dann noch in einem zweiten Schritt die ergänzende Fortschreibung hinzu, die die aktuellere Preisentwicklung berücksichtigte. Dabei wurden für die Erhöhung im Jahr 2024 die regelbedarfsrelevanten Preise im zweiten Quartal 2023 mit dem entsprechenden Dreimonatszeitraum des Jahres 2022 verglichen. Auch hieraus ergab sich eine Prozentzahl, das waren nochmal gut 9 Prozent.

Die Besonderheit der Formel besteht nun darin, dass diese beiden Steigerungen dann nicht etwa einfach zum früheren Regelsatz hinzuaddiert wurden, der betrug 502 Euro im Jahre 2023, die Erhöhung wäre bei einer einfachen Addition also im Jahre 2024 noch höher ausgefallen. Nein, die prozentualen Erhöhungen werden nur zu dem Betrag hinzuaddiert, der sich ergibt, wenn man zum Jahre 2023 nur eine Basisfortschreibung gemacht hätte.

Laut der Basisfortschreibung ergab sich daher für das Jahr 2023 nur ein rechnerischer Betrag von 469 Euro, so das Bundesarbeitsministerium in einer Erklärung auf Anfrage der taz. Dieser Eurobetrag wurde dann erst mit der Basisfortschreibung von 9,07 Prozent fortgeschrieben und das Ergebnis, etwa 512 Euro, dann nochmal mit der ergänzenden Fortschreibung von 9,9 Prozent erhöht. So kam man auf die 563 Euro für das Jahr 2024, die im Vergleich zum Regelsatz im Jahre 2023 eine rechnerische Erhöhung von 12 Prozent bedeuteten.

„Keine fiktiven Rechengrößen“

Was heißt dies nun für das Jahr 2025? Es bedeutet, dass bei der Vorausberechnung des Regelsatzes zum 1. Januar 2025 die beiden Stufen der prozentualen Erhöhungen (durch Basis- und ergänzende Fortschreibung) nicht zu dem aktuellen Regelsatz von 563 Euro hinzuaddiert werden. Man addiert sie eben nur zu einem fiktiven Wert, der sich aus der Basisfortschreibung des Vorjahres ergibt. Dies war der genannte Zwischenwert von 512 Euro.

Mit einer Basisfortschreibung von 4,66 Prozent und einer ergänzenden Fortschreibung von 3 Prozent – was ja realistisch ist angesichts der gesunkenen Inflationsraten – käme am Ende nur ein neuer Regelsatz von 552 Euro für das Jahr 2025 heraus, errechnen die Verbände im Positionspapier. Dies wäre eine Absenkung, die aber gesetzlich nicht zulässig ist. Am Ende stünde also eine Nullrunde im Jahre 2025.

In dem Positionspapier fordern die Initiatoren unter anderem eine „kurzfristige Reform der Fortschreibungsregel“. Ausgangspunkt der Fortschreibung für 2025 müsse der geltende Regelbedarf sein und „nicht eine fiktive Rechengröße“. Im Gegenzug könne bis zu einer grundlegenden Reform auf die sogenannte „ergänzende Fortschreibung“ verzichtet werden, heißt es in dem Papier. Nur war diese ergänzende Fortschreibung ja mal extra eingeführt worden, um Preissteigerungen zeitnäher zu berücksichtigen. Der eingebaute „Rückwärtsgang“ war auf den ersten Blick nicht so ersichtlich.

Die Chancen für eine erneute Änderung stehen schlecht. „Die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen zum 1. Januar 2025 erfolgt gemäß den gesetzlichen Vorgaben auf validen und überprüfbaren Daten des Statistischen Bundesamtes. Im Rahmen der Fortschreibungs-Verordnung besteht somit kein Entscheidungsspielraum für die sich ergebenden Beiträge“, heißt es im Bundesarbeitsministerium auf Anfrage der taz.

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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Schon immer war den (regierenden) PolitikerInnen der Wert der Arbeit für den Staat wichtiger als die Sicherung eines würdigen Lebens für alle Menschen. So wandert die Würde von den Menschen hinüber zur Arbeit.

    Bundesministers Hubertus Heil im Bundestag (24.11.2022):

    'Was ist das Leitmotiv der Ampelkoalition von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP? Es ist das Motto "Chancen und Schutz"; denn um beides geht es, meine Damen und Herren. Es geht darum, dass die Qualität eines Sozialstaates sich zum einen daran bemisst, wie man mit Menschen umgeht, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. Aber die Qualität des Sozialstaates bemisst sich nicht allein an der Fähigkeit, Menschen in Not zu schützen, sondern vor allen Dingen auch daran, wie es gelingt, Menschen zu einem selbstbestimmten Leben ohne Abhängigkeit zu befähigen. Und das ist der Kompass unserer Politik.



    Dabei stehen für uns der Wert und die Würde der Arbeit ganz vorne an.'

  • in der enteignung der armen ist deutschland gut.



    wie stehts mit den reichen + superreichen?

  • Dafür gibt es neue Steuererleichterungen für E-Autos, rückwirkend ab 1.07., bis 2028, und eine neue Obergrenze bis 95 000 EURO.



    www.spiegel.de/wir...-b82a-adc1b222305f

    Die Ampel steht für Umverteilung von Unten nach Oben, für mehr nicht.

  • Deutschland wird mehr und mehr zu einem Förderstaat für Reiche und Superreiche.

    Der Inflationsausgleich bei der Steuer für Gutverdiener, die sogenannte "kalte Progression", wird regelmäßig angepasst. Alleine für diese Anpassung wird der Bund 2024/2025 auf etwa 23Mrd € Steuereinnahmen verzichten.



    Beim Bürgergeld (bzw HartzIV) dagegen ist die Erhöhung laut einem Spiegel-Bericht seit 2020 nicht mehr der Inflation gefolgt, auch die letzte Erhöhung von 12% hat das nicht ausgeglichen. Bürgergeld-bzw Grundsicherungsempfänger haben also heute schon real weniger in der Tasche als 2020.



    Und wenn man noch weiter "nach oben" schaut, wird's komplett absurd. In einem Fernsehbericht des Magazins Monitor zeigt ein Typ seine Steuererklärung: Knapp eine Milion Bruttoeinkomen, Steuerzahlung: 0 Euro, in Worten Null Euro, volkmmen legal. Noch Fragen?

  • "Bei hoher Inflation müssten auch die Regelsätze entsprechend angepasst werden. Nun sei die Teuerungsrate aber kräftig gesunken. Deshalb sei der Rechtsmechanismus, so, dass es Anfang 2025 keine Erhöhung beim Bürgergeld geben werde".

    Dann wird es sicher auch eine Nullrunde bei dieser Argumentation bei den Diäten geben, bevor das passiert würde bestimmt die Hölle zu frieren.

  • Das ist wieder so ein SPD-Klassiker-Rohrkrepierer.



    Heil will der Anti-Bürgergeld-Stimmung Tribut zollen und der Beschwerde über den angeblich zu geringen Lohnabstand nachgeben. Und versucht, durch Vorschriften und Rechentricks möglichst unauffällig den Abstand durch Zeitablauf, Nichtanpassung, Inflation und Lohnabschlüsse allmählich zu vergrößern - damit die eigene Basis möglichst nicht viel davon mitbekommt. Denn die hält das Bürgergeld ja immer noch für eine Errungenschaft -ob zu Recht oder zu Unrecht, ist egal.



    Aber die, auf deren Beschwerde er erst sich zu solchen Aktionen genötigt sieht - werden es ebenfalls entweder nicht bemerken und für Tarnspielchen halten. Deren Meinung darüber wird er also nicht ändern oder gar Unterstützung für die SPD zurück gewinnen.



    Eigentlich müsste er genau anders herum agieren - mit großem tamtam und bohei Änderungen verkünden - die in Wahrheit und Realität wenig bis gar nix bewirken. Aber die Protestklientel gegen das Bürgergeld beeindrucken. Dann kann er intern seine SPD-Besorgten beruhigen - und vielleicht in der Beschwerdefraktion draußen Eindruck schinden.

  • Besser den Mindestlohn kräftig erhöhen, das macht mehr Sinn.

    • @Lars Sommer:

      "Guter Vorschlag von Ihnen". Nur die FDP wäre davon nicht begeistert, die FDP macht andere Vorschläge siehe letzten Absatz.

      Die Lüge von "Leistung soll sich lohnen", hört man doch überall, und dieser Schwachsinn wird auch noch geglaubt, wie die Möhre vor dem Esel, mit einer FDP in der Regierung und den Mindestlohn erhöhen, das können sie getrost vergessen. Das würde heißen, das Klientel der FDP würde belastet werden, das geht absolut nicht.

      Super reiche müssten weiter entlastet werden auf kosten der restlichen Steuerzahler, das ist deren Devise. Schön von unten nach oben, nicht umgekehrt.

      Aber das Bürgergeld können wir kürzen, das bringt den Mindestlohn Empfänger zwar keinen Cent mehr, aber das gute Gefühl das es jemand anderen schlechter geht.

  • "Und dass ist richtig so." Die SPD versteht es immer wieder aufs neue, den Marginalisierten zu zeigen, wie sehr sie sie verachtet. Einmal mehr beugt sie sich der durch Hetze auf Schwächere geprägten Stimmung im Land und betreibt aktiv AfD Politik.

    Fast egal, dass die Pläne - mal wieder - verfassungswidrig sein dürften. Nur sollte es einem schon Sorgen machen, dass regierende Politiker offenbar immer größere Gruppen an Menschen aus der Verfassung ausklammern.