„Notwehr“ der Verbraucher: Kakerlaken in der Lieblingskneipe?
Wenn Behörden Hygienemängel in Restaurants finden, bleibt diese Information bislang oft verborgen. Eine Online-Plattform will das ändern.
Zusammen mit der Initiative „Frag Den Staat“ startete die Organisation am Montag „Topf secret“: Auf dem Onlineportal lässt sich herausfinden, wie es um die Hygiene in Gastronomie und Nahrungsmittelwirtschaft steht. Die Grundlage ist das Verbraucherinformationsgesetz VIG. Danach können BürgerInnen Auskunft verlangen, tun es jedoch selten. Eine Website will es nun einfach für jeden machen.
Wer die Seite aufruft, kann ein beliebiges Restaurant oder irgendeinen Lebensmittelbetrieb über eine Suchmaske oder per Klick auf einer Straßenkarte aussuchen. Man gibt Namen, E-Mail- und Postadresse ein. Topf secret stellt einen vorbereiteten Text dazu. Dann geht alles als Anfrage an die zuständige Behörde. Topf secret sei eine „Notwehrmaßnahme“ sagt Huizinga. „Je mehr Menschen mitmachen und Anträge stellen, desto mehr Infos kommen ans Licht.“ Schmuddelbetrieben soll das Handwerk gelegt werden.
In Dänemark funktioniert das System
Das kann funktionieren. In Dänemark zum Beispiel hängen in Bäckereien, Metzgereien und Restaurants gut sichtbar an der Ladentür oder im Schaufenster glücklichere, weniger glückliche oder traurige Smileys. Grinst er, ist alles bestens. Lacht er verhalten, fanden die Kontrolleure kleine Hygiene-Mängel, guckt er traurig, ging es um Schlampereien, für die es mindestens eine Geldstrafe gab. Schon wenige Jahre nach der Einführung 2002 hat sich die Quote der beanstandeten Betriebe halbiert.
Und in Deutschland? Im Berliner Bezirk Pankow gab es die Hygiene-Smileys mal für kurze Zeit. Dagegen zogen zwei Unternehmen, die mies abgeschnitten hatten, vor Gericht – und bekamen Recht. Denn „Informationen über festgestellte Verstöße“ dürften veröffentlicht werden, Bewertungen nicht. SPD und Union haben sich in ihrem Koalitionsvertrag nur darauf verständigt, „eine übersichtliche und eindeutige Verbraucherinformation zu Hygiene und Lebensmittelsicherheit“ zu schaffen. Den Betrieben soll überlassen bleiben, ob sie diese nutzen.
Arne Semsrott von Frag den Staat hofft nun auf den Druck der Verbraucher über „Topf secret“. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband sprach bereits vom „Mitmach-Internetpranger“. Semsrott: „Wenn die Bundesregierung in Zukunft die Veröffentlichung aller Kontrollergebnisse vorschreibt, schalten wie unsere Plattform gerne wieder ab.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen