Notorischer Betrüger: Die Geschäfte des Herrn L.
Als Geschäftsführer war Andreas L. einst die Hauptfigur des Klinikskandals. Nun ist er als Verlagsmanager wieder durch dubiose Machenschaften aufgefallen.
Erinnern Sie sich noch an Andreas L.? Es ist lange her, da stand er, Geschäftsführer des Klinikums Bremen-Ost, für den Aufbruch des Gesundheitswesen in eine neue, bessere Zeit. Im Gedächtnis geblieben haften geblieben ist der Mittvierziger aber vor allem als Symbol – oder soll man sagen: Hassfigur? – des Bremer Klinikskandals.
Vor dem inneren Auge erscheint ein etwas feister, adrett gekleideter Mann, groß gewachsen, mit langen, wehenden, leicht fettigen Haaren und Geheimratsecken. Kein lauter Typ, doch von einem Selbstbewusstsein, dass auch in langen Monaten der Untersuchungshaft kaum zu erschüttern war. Die Bremer Politik hatte ihn Anfang des Jahrtausends als Macher eingekauft. Am Ende musste der zuständige Staatsrat gehen, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss trat an, alle Geschehnisse aufzuklären. Und L. wurde wegen vielfacher Untreue und Bestechung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht Bremen befand ihn für schuldig, dem Klinikum Bremen-Ost einen Schaden von über neun Millionen Euro zugefügt zu haben.
Inzwischen ermitteln sie wieder gegen ihn, diesmal in Wien. Es geht um Betrug, unter anderem, zwei Sammelklagen sind gegen ihn anhängig, weitere sind in Vorbereitung. Die Liste der Gläubiger, denen L. noch Geld schuldet, ist lang. Auch der Anwalt, der ihn 2007 in Bremen vertrat, wartet noch.
L., Diplom-Ökonom L., wie es in Österreich korrekt heißen muss, ist Geschäftsführer Der Neuen Apotheker Verlagsgesellschaft mbH (DNA). Auf ihrer Homepage suchen sie gerade noch MedienberaterInnen, aber schon das führt in die Irre: Über die DNA, so meldete es jüngst der Standard, wurde vor wenigen Tagen der Konkurs eröffnet.
In dem kleinen Magazin-Verlag erschienen Titel wie das Österreichische Diabetes Journal, Topfit & Gesund, Vitale Senioren oder das Apotheken-Journal. Letzteres Magazin, das sich zuletzt „Darm und Blase im Sommer“ widmen wollte, werde in einer Auflage von 80.000 Exemplaren verbreitet, versprach man den WerbekundInnen. Eine ganzseitige Farbanzeige kostet dort, so steht’s in den Mediadaten, 5.000 Euro, plus Werbe- und Mehrwertsteuer. Ziemlich viel Geld für ein Heft, von dem laut Druckerei gerade mal 100 bis 200 Exemplare gedruckt wurden. Gleiches gilt für Vitale Senioren. Man habe die Auflage zuletzt etwas zurückfahren müssen, soll L. gesagt haben.
Er habe „nie die Absicht gehabt, etwas Seriöses zu machen“, sagt ein früherer Anzeigenverkäufer, der auch noch auf Gehalt wartet, genauso wie die Druckerei auf ihr Geld. 25.000 Euro an Werbeeinnahmen müssten sie akquirieren, habe L. ihnen gesagt, für das Apotheken-Journal ebenso wie für andere Magazine des Verlages. Nur dann seien ihre Gehälter sicher. Diese Vorgabe sei auch erfüllt worden, sagt der ehemalige Mitarbeiter M., der lieber anonym bleiben will, und ein Gutteil dieses Geldes sei wohl auch geflossen. Wohin? Unklar! Die Konten jedenfalls, die er habe einsehen dürfen, so M., die seien leer gewesen.
Geld verdiente er übrigens nicht allein mit Anzeigen: Mehreren Ärzten habe er Firmenanleihen verkauft, zu je 20.000 Euro, sagt M. – und ihnen im Gegenzug eine Rendite von 8,5 Prozent versprochen. Im Hintergrund der DNA steht ein kompliziertes Geflecht von Firmen, deren Spur über Hamburg bis nach Fulda reicht; der Ort war schon früher ein Knotenpunkt von L.s Aktivitäten.
Und mit undurchsichtigen Firmenkonstrukten kennt er sich aus. In seinen Bremer Jahren überwies er als Klinikmanager so Geld ohne größere Gegenleistung – an seine eigenen Firmen oder Strohleute. Schon vorher war er einschlägig aufgefallen. Gleichwohl war L. mit mehr als einer Million Euro verschuldet, als sie ihn in Bremen einstellten. Unvergessen machte ihn hernach der Kauf von mehr als 1.000 Multimedia-Nachttischen im Gesamtwert von 5,6 Millionen Euro. Den Auftrag vergab L. freihändig und ohne dass sie im Klinikum davon gewusst hätten. Die Nachttische waren nicht nur inkompatibel mit allen vorhandenen Systemen, sondern auch zu groß, um überhaupt in den Krankenzimmern verbaut zu werden. L. zufolge dienten sie einem höheren Ziel: der Rettung seines Klinikums. Er selbst strich dafür eine Provision von 345.000 Euro ein.
Mit dem Apotheken-Journal sollen angeblich gut 600 der 1.330 Apotheken Österreichs beliefert worden sein – fast jede zweite. Wenn Werbekunden im Verlag nachhakten, weil sie das Heft dort nie vorfanden,sei ihnen erzählt worden, die Magazine seien halt „schnell vergriffen“, so M. Gedruckt wurden indes wohl nur die Belegexemplare.
Am Ende habe L. ihm „fristlos gekündigt“, sagt M. – mit dem Argument er habe die Arbeit verweigert und das Firmenhandy geklaut. Er bestreitet das. Frühere Verlagskollegen sollten Strafe zahlen, erzählt er dann noch, 50.000 Euro. Weil sie angeblich Interna ausgeplaudert haben sollen. Erhielt L. Post, etwa von Gerichten oder Staatsanwaltschaften, so soll diese ungeöffnet im Papierkorb gelandet sein.
Wer heute im DNA-Verlag anruft, dem verspricht eine freundliche Stimme, man werde so rasch wie möglich verbunden. Kurz danach endet der Anruf im Nichts. Am Klingelschild in der Dresdner Straße in Wien wurde der Firmenname schon entfernt. L. selbst wohnt dem Vernehmen nach in Hotels. Das erleichtert die Flucht.
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