Nordsee greift Betriebsratswahlen an: Fisch und Tricks

Die Restaurantkette Nordsee will die hausinternen Betriebsratswahlen vor Gericht zu Fall bringen. Die Gewerkschaft NGG wirft Nordsee Sabotage vor.

Eine Nordsee-Verkäuferin reicht einen Teller mit Brötchen über den Verkaufstresen.

Normale Mitarbeiterin oder leitende Angestellte? Nordsee hat darauf überraschende Antworten Foto: Chris Kettner/Nordsee

HANNOVER taz | Die Restaurantkette Nordsee geht gegen hausinterne Betriebsratswahlen vor. Das Bremerhavener Unternehmen hat an mehreren Arbeitsgerichten Anträge gestellt, um die Wahlen vom 21. März für unwirksam erklären zu lassen. In der formalen Begründung, die der taz in Auszügen vorliegt, heißt es, die Wahl sei unwirksam, weil „der Wahlvorstand mit leitenden Angestellten“ besetzt gewesen sei und zudem leitende Angestellte in den Betriebsrat gewählt worden seien. Die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) wirft Nordsee stattdessen vor, den Betriebsrat mit Tricks zu sabotieren.

„Ich glaube, es geht darum, sich mehr Beinfreiheit zu verschaffen und die Mitbestimmung abzusägen“, sagt Gewerkschaftssekretär Christoph Schink. In dem Unternehmen habe es Tradition, dass sich Filialleiter im Betriebsrat engagierten, sagt der NGG-Vertreter. Das ist ungewöhnlich, aber bisher hätten die Filialleiter als Beschäftigte gegolten und nicht als leitende Angestellte. Letztere wären von Betriebsratswahlen ausgeschlossen.

„Manche sind schon mehrere Perioden im Amt. Sie können den Job als Betriebsrat“, sagt Schink, der das Referat Gastgewerbe in der NGG-Hauptverwaltung leitet. Im vergangenen Dezember habe Nordsee die Filialleiter dann plötzlich „einseitig“ zu leitenden Angestellten erklärt – wenige Monate vor den Betriebsratswahlen. Die Zahl der leitenden Angestellten im Unternehmen sei damals von 18 auf 228 gestiegen. „Davon sind 70 oder 80 Betriebsräte“, sagt Schink.

Als leitender Angestellter gilt laut Betriebsverfassungsgesetz, wer eigenverantwortlich Personal einstellen oder entlassen kann, wer regelmäßig Aufgaben übernimmt, die für den Bestand und die Entwicklung eines Betriebs von Bedeutung sind und wer für den Betrieb Rechtsgeschäfte durchführen kann.

Bisher hätten die Filialleiter aber keine Personalentscheidungen getroffen, sagt Schink. „Die Formulare kommen aus der Hauptverwaltung.“ Immer häufiger sollten die Filialleiter nun ihre Unterschrift darunter setzen, sagt Schink. Er glaubt, dass Nordsee die Filialleiter unterschreiben lasse, damit das Unternehmen in einem Gerichtsverfahren beweisen könne, dass die Mitarbeiter eben doch leitende Angestellte seien. „Wir beraten unsere Leute dahin gehend, dass sie das nicht unterschreiben“, sagt der Gewerkschafter.

NGG sieht Angriff auf alte Hasen im Betriebsrat

Schink sorgt sich um die Zukunft der Betriebsräte: „Für uns ist klar, dass das ein Angriff auf die alten Hasen sein soll.“ Laut Kündigungsschutzgesetz ist es in der Regel unzulässig, einen Betriebsrat rauszuwerfen. Dieser Kündigungsschutz gilt auch noch bis zu ein Jahr nach dem Ende der Amtszeit. Dann aber wären die Filialleiter leichter kündbar.

Und das habe für das Unternehmen einen weiteren Vorteil, vermutet Schink. Denn seit 2016 zahle Nordsee nicht mehr nach einem eigens ausgehandelten Haustarifvertrag, sondern nach dem für den Arbeitgeber günstigeren Verbandstarifvertrag der Systemgastronomie. Wer neu eingestellt wird, bekommt nun einen geringeren Lohn. Bei einem Filialleiter könne der Unterschied rund 1.000 Euro Brutto monatlich bedeuten. Es wirke, als wolle Nordsee teure Altbeschäftigte loswerden, sagt Schink.

Nordsee schweigt zu den Vorwürfen

Nordsee selbst will sich nicht zu den Vorwürfen äußern und bittet um Verständnis. „Das Unternehmen wird sich inhaltlich nicht äußern, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt“, antwortet eine Konzernsprecherin schriftlich. Sie bestätigt nicht einmal, ob es die Verfahren tatsächlich gibt.

Laut NGG ist Nordsee wegen zwölf von 13 Betriebsratswahlen bundesweit vor Arbeitsgerichte gezogen. Im Norden habe etwa das Arbeitsgericht Neumünster ein Verfahren eröffnet. Das Gericht will allerdings aus „Datenschutzgründen“ keinerlei Informationen dazu herausgeben.

Schink bedauert, dass sich die Stimmung im Unternehmen verändert habe. „Wir kommen aus einer Mitbestimmungskultur.“ Früher habe man sich in einen Raum gesetzt und geredet. Seitdem die Bäckerei Kamps und die Molkerei Müller den Laden übernommen hätten, sei „der Wind deutlich rauer geworden“.

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