Mitbestimmung bei Alnatura: Von wegen fair
Nur eine der bundesweit 99 Alnatura-Filialen hat einen Betriebsrat. Das Arbeitsgericht Bremen hat jetzt dafür gesorgt, dass das nicht so bleibt.
Unmittelbar vor der Wahl des Wahlvorstandes soll sie drei zusätzliche KandidatInnen aufgestellt haben. Anders als der Gebietsleiter, der als leitender Angestellter von den Betriebsratswahlen ausgenommen ist, darf die Filialleitung an den Wahlen teilnehmen - von denen sie allerdings wenig gehalten hat: Sowohl das Filialleitungsteam als auch der Gebietsleiter hätten MitarbeiterInnen zu Gesprächen geladen und ihren Unmut über die geplante Betriebsratswahl geäußert, berichteten Angestellte der Alnatura-Filiale.
Am Wahltag habe sich während einer Pause der Betriebsversammlung mindestens ein Mitglied der Filialleitung mit der Gebietsleitung besprochen und daraufhin kurzfristig drei weitere KandidatInnen aufgestellt. Ergebnis: KeinEr der KandidatInnen erhielt bei der Wahl die erforderliche einfache Mehrheit. „Die Wahl wurde durch taktische Spielchen verhindert“, sagt Kai Wargalla, die bei Alnatura arbeitet und seit Mitte Januar neue Landeschefin der Bremer Grünen ist.
Ver.di spricht von „Umarmungstaktik“
Laut Alnatura-Sprecherin Stefanie Neumann hingegen hätten sich die MitarbeiterInnen in Bremen „gegen die Wahl eines Betriebsrats ausgesprochen“. Grundsätzlich stehe man dem Wunsch aber „natürlich nicht entgegen“. In Firmen, in denen „die Mit-Gestaltung der Mitarbeiter ein wesentlicher Bestandteil des Arbeitslebens“ sei, entstehe „eher selten das Bedürfnis nach einem Betriebsrat.“
Interessenvertretungen bildeten sich dann, wenn das Gefühl überwiege, dass die Interessen der MitarbeiterInnen nicht ausreichend berücksichtigt würden. „Dass dies jetzt in Bremen nach Auffassung einiger Mitarbeiter der Fall ist, bedauern wir sehr“, sagte Neumann nach der missglückten Wahl.
Als „Umarmungstaktik“ bezeichnet Sandra Schmidt, Gewerkschaftssekretärin bei Ver.di in Bremen, das Vorgehen Alnaturas: „Vordergründig ist man freundlich, aber hintenrum versucht man, einen Betriebsrat zu verhindern.“ Das bestätigt Kai Wargalla: „Nach außen tut Alnatura verständnisvoll, aber die Filialführung äußert sich sowohl gegenüber Einzelnen als auch auf Mitarbeiter-Versammlungen bis heute ganz klar und deutlich gegen einen Betriebsrat.“ Einige KollegInnen ließen sich davon durchaus beeindrucken: „Manche haben Angst um ihren Arbeitsplatz.“ Die Mehrheit aber wolle eine MitarbeiterInnenvertretung.
Noch gibt es Klärungsbedarf
Ver.di hat als Vertreterin von fünf Alnatura-MitarbeiterInnen beim Arbeitsgericht Bremen den Einsatz eines Wahlvorstandes beantragt. „Der Wahlvorstand kann jetzt seine Arbeit aufnehmen, sollte sich aber schulen lassen, damit ihm mögliche Fehler im Vorfeld der Betriebsratswahl nicht um die Ohren fliegen“, sagt Schmidt, die damit rechnet, dass Alnatura die Wahl sehr genau beobachten wird: „Auch die Wahl sollte deshalb von uns oder vielleicht auch von einem Anwalt begleitet werden.“
Noch gebe es auch Klärungsbedarf über die Betriebsstärke der Filiale: „Seltsamerweise wechseln zwei Mitarbeiter jetzt nach Hamburg - und deren Stellen werden nicht nachbesetzt“, sagt Schmidt. Dann hätte die Filiale statt 21 nur noch 19 MitarbeiterInnen und damit keinen Anspruch mehr auf einen dreiköpfigen Betriebsrat, „sondern nur noch auf einen einköpfigen mit eingeschränkten Mitbestimmungsrechten.“
Laut Unternehmensangaben machte Alnatura im Geschäftsjahr 2014/2015 einen Netto-Umsatz von 760 Millionen Euro - zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Bundesweit gibt es 99 Filialen – darunter nur eine mit einem Betriebsrat. Einen Gesamtbetriebsrat gibt es nicht. Der wäre erst dann möglich, wenn in einer weiteren Filiale ein Betriebsrat hinzukäme - zum Beispiel in Bremen.
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