: Nordkorea lässt die Erde beben
Aufrüstung Das Regime in Pjöngjang verkündet den erfolgreichen Test einer Wasserstoffbombe. Indizien wie ein starkes Erdbeben stützen diese Behauptung. US-Präsident Trump droht: „Sie verstehen nur eine Sprache“
Aus Seoul Fabian Kretschmer
Nichts verdeutlicht die Ohnmacht der internationalen Gemeinschaft gegenüber dem nordkoreanischen Atomprogramm deutlicher als die schon übliche Flut an Stellungnahmen, die am Sonntag von den Regierungssprechern weltweit verkündet wurden.
„Nordkorea ist eine Schurkennation, die zu einer großen Bedrohung und zu einer Schmach für China geworden ist, das uns mit wenig Erfolg zu helfen versucht“, twitterte US-Präsident Donald Trump. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron verurteilten den Test „aufs Schärfste“. Russland warnte vor schwerwiegenden Folgen.
Vom japanischen Premier Shinzo Abe hieß es, Nordkoreas sechster Atomtest „könne unter keinen Umständen toleriert“ werden. Sein Amtskollege in Seoul, Moon Jae In, ging noch einen Schritt weiter: Südkorea werde es „nicht erlauben, dass Nordkorea sein Atomprogramm weiter vorantreibt“.
Dabei ist allen Beteiligten klar, dass genau dies passieren wird.
Allein die Eckdaten des nun mehr sechsten Atomtests Nordkoreas verdeutlichen, warum die meisten Experten ihn als „Meilenstein“ werten: Als der Sprengkörper im Nordosten des Landes gegen 12 Uhr Ortszeit gezündet wurde, löste die Explosion ein Erdbeben der Stärke 6,3 auf der Richter-Skala aus. Deren Auswirkungen waren sowohl im russischen Wladiwostok als auch in der chinesischen Grenzstadt Yanji deutlich zu spüren. Selbst in Südkorea gingen – erstmals nach einem nordkoreanischen Atomtest – bei den Behörden Anrufe besorgter Bürger ein. Minuten später folgte ein Nachbeben, ausgelöst vermutlich durch den Zusammenbruch des unterirdischen Tunnels auf dem nordkoreanischen Testgelände.
Welche Folgen ein solcher Atomschlag auf das Seouler Rathaus bringen würde, hat das Crowdfunding-Projekt „Nukemap“ ausgerechnet. Demnach wären dabei in den ersten 24 Stunden über 400.000 Menschen gestorben und knapp zwei Millionen verletzt.
Die Sprengkraft: Nordkorea will am Sonntag eine eigene Wasserstoffbombe gezündet haben. Die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) geht bei der Sprengwirkung von „wenigen hundert Kilotonnen“ aus, Norwegische Seismologen vermuteten etwa 120 Kilotonnen. Nach einer südkoreanischen Schätzung betrug die Sprengkraft rund 50 Kilotonnen. Zum Vergleich: Die Atombombe von Hiroschima hatte eine Sprengkraft von 15 Kilotonnen TNT.
Das Wirkungsprinzip: Die erste Wasserstoffbombe, auch H-Bombe genannt, wurde unter Leitung von Edward Teller in den USA entwickelt und 1952 auf einem Atoll im Pazifik gezündet. Die Wasserstoffbombe setzt Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen frei. Bei dieser Fusion verschmelzen unter anderem die Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium zu Helium. Zur Zündung des Gemisches sind mehr als 100 Millionen Grad erforderlich. Deshalb enthält eine H-Bombe als Zünder eine Atombombe. (dpa, taz)
Das Ausmaß der Explosion ist auch insofern von Relevanz, weil das nordkoreanische Regime bereits im Januar 2016 behauptet hatte, erfolgreich eine Wasserstoffbombe gezündet zu haben. Damals meldeten einige ausländische Experten erhebliche Zweifel an. Nun aber wurde Nordkoreas Behauptung mit einem massiven Knall untermauert.
Wesentlich ungeheuerlicher – allerdings auch unwahrscheinlicher – ist Nordkoreas zweite Erklärung, die das Regime während einer Sondersendung im Staatsfernsehen verkünden ließ: Dass man nämlich imstande sei, den Sprengkopf auf eine Interkontinentalrakete zu befördern. Damit wären Teile des US-Festlandes in Reichweite des nordkoreanischen Atomarsenals.
Für Südkoreas Präsident Moon Jae In ist genau dies „die rote Linie“, die er bereits im Vormonat gezogen hat. Nach einem nationalen Sicherheitstreffen hat Moon am Sonntag zu neuen UN-Sanktionen gegen Nordkorea aufgerufen, die das Land „vollständig isolieren“ sollen. Ebenso kündigte der linksliberale Politiker an, die Stationierung von strategischen US-Waffen in Südkorea zu diskutieren.
Zwar hat der 64-Jährige seine Pläne nicht konkretisiert. Jedoch liegt der Verdacht nahe, dass dies auf US-Atomwaffen auf südkoreanischem Boden hinauslaufen könnte. Die zwei größten Oppositionsparteien des Landes fordern dies bereits vehement.
„Südkorea findet nun heraus, wie ich ihnen gesagt habe, dass Beschwichtigungspolitik mit Nordkorea nicht funktioniert. Sie verstehen nur eine Sprache“, twitterte US-Präsident Donald Trump am Sonntag.
US-Präsident Donald Trump
Kritiker werfen Trump vor, dass seine Nordkorea-Strategie vor allem von verbalen Eskalationen und Sprunghaftigkeit gekennzeichnet ist. Letztendlich unterscheidet sie sich im Ergebnis jedoch nicht fundamental von seinen Vorgängerregierungen: Nordkorea soll mit wirtschaftlichem Druck und militärischen Drohungen zum Einlenken gebracht werden.
Dass die Drohungen wohl auch künftig – trotz des Liebäugelns mit einem Erstschlag – nicht in die Tat umgesetzt werden, hängt zum einen mit den 50 Millionen Südkoreanern zusammen, die zur Hälfte in der Artilleriereichweite des nordkoreanischen Militärs leben. Zudem ist das Atomarsenal des Kim-Regimes an unterirdischen Standorten verteilt, deren genaue Verortung wohl nicht einmal Peking mit genauer Sicherheit kennt.
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