Nitrat im Trinkwasser: „Verzögern und verschleppen“
Wasserwirtschaft und EU-Kommission fordern, die Düngemittelverordnung zu verschärfen. Das Landwirtschaftsministerium spielt auf Zeit.

Damit stärkt die Wasserwirtschaftslobby die Position der EU-Kommission, die auf eine rasche Umsetzung der europäischen Nitratrichtlinie in Deutschland pocht und inzwischen ein EU-Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat. Aber das CSU-geführte Bundeslandwirtschaftsministerium bremse durch Klientelpolitik die Reform, sagte Verbandsgeschäftsführer Martin Weyand: „So kennen wir das Ministerium: verzögern, verschleppen, vertuschen.“
Der Entwurf der Verordnung ist noch in der Abstimmungsphase zwischen den Ministerien der Länder und des Bundes. Der Wasserverband bemängelt, dass er keine konkreten Maßnahmen beinhalte. Stattdessen sei geplant, zunächst eine Bund-Länder-Gruppe einen Plan ausarbeiten zu lassen, wie Stickstoffbelastungen gemessen werden und wie viel Düngung erlaubt sein soll.
Der Verband ist überzeugt, mit diesem Vorgehen könne die Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie frühestens in fünf bis zehn Jahren beginnen. Er fordert, stattdessen sofort eine so genannte Hoftorbilanz für Stickstoffe einzuführen. Diese Bilanz beruht auf einer Differenzrechnung: Erfasst werden alle Stickstoffe, die einen Agrarbetrieb in Form von Dünger oder Tierfutter erreichen. Anschließend wird die Summe der Stickstoffe abgezogen, die den Hof als Bestandteil landwirtschaftlicher Produkte wieder verlassen. Die Differenz, so die plausible Annahme, ist auf den Böden des Betriebes verblieben – und dafür muss ein Grenzwert eingehalten werden.
Grenzwertüberschreitungen werden noch zunehmen
Einen Grenzwert gibt es derzeit nur für die Nitratkonzentration im Trinkwasser. Überschreitet ein Grundwasserreservoir die Konzentration von 50 Milligramm Nitrat pro Liter, müssen Trinkwasserversorger nitratärmeres Wasser zum Verdünnen beimischen oder teure Mikrofiltersysteme anschaffen. Laut Simon überschreiten aktuell schon 27 Prozent der deutschen Grundwasserreservoirs den genannten Grenzwert. Der Verband befürchtet eine weitere Verschlechterung, auch weil das dringend nötige Gegensteuern wegen langer Sickerzeiten erst stark verzögert wirken wird.
Das Salpetersalz Nitrat wird in Düngemitteln der Agrarindustrie verwendet, weil Pflanzen es als Stickstoffquelle aufnehmen. Nach exzessiver Düngung sickert überschüssiges Nitrat, das die Pflanzen nicht absorbieren können, durch tiefere Bodenschichten ins Grundwasser, von Regengüssen transportiert und beschleunigt.
Zusätzlich gelangt Nitrat über Erosion und Abschwemmungen nach Unwettern in Flüsse und Seen, wo der dadurch entstehende Nährstoffüberschuss das Wachstum von Algen begünstigt – vor allem bei sommerlicher Hitze.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?