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Niedersachsen verliert LehrkräfteLehrer wollen weg

In Niedersachsen ist die Anzahl der Versetzungsanträge gestiegen. Die Gewerkschaft findet das alarmierend, das Kultusministerium eher nicht.

Die Schüler wüssten die Antwort – aber steht da noch jemand vorne? Foto: Marijan Murat/dpa

Hannover taz | Viele Lehrer wollen aus Niedersachsen weg. Im vergangenen Jahr haben 1.120 Lehrer beim Kultusministerium einen Versetzungsantrag­ gestellt, um in ein anderes Bundesland zu wechseln. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft­ (GEW) sieht darin ein Alarmzeichen, immerhin habe sich die Zahl innerhalb von fünf Jahren­ nahezu verdoppelt. In 2018 seien es noch rund hundert Anträge­ weniger gewesen, im Jahr 2014 sogar insgesamt nur rund 600.

GEW-Landeschefin Laura Pooth führt den Anstieg vor allem­ darauf zurück, dass in den Nachbarländern Grund-, Haupt- und Realschullehrer besser­ bezahlt würden. „Diese Begründung hat es bisher nicht so gegeben“, sagte Pooth. „Niedersachsen muss zusehen, dass alle Lehrkräfte, die es am Markt noch gibt, hier bleiben oder sich hierher bewerben.“

Das Kultusministerium meint hingegen, dass es für diese Aussage keine Belege gebe. Viel mehr seien Familienzusammenführungen und die Pflege von Angehörigen die Gründe, die bei den Anträgen am häufigsten genannt würden. Und genau für diese Fälle sei das Verfahren ja ursprünglich auch etabliert worden: Um den Wechsel aus sozialen Gründen zu ermöglichen, betont ein Sprecher des Ministeriums gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Es gehe ausdrücklich „nicht ums Abwerben von Fachkräften“.­ Das Land habe in den vergangenen Jahren aber „nicht wenige“ Lehrer aus anderen Bundesländern eingestellt. Insgesamt sei der Wechsel von Land zu Land weitestgehend ausgeglichen. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass gar nicht jeder Antrag auf Versetzung bewilligt wird und die Länder versuchen, den Zu- und Abfluss an Lehrkräften auf einen ausgeglichenen Saldo hin zu steuern.

Nicht alle Anträge werden bewilligt

Im Jahr 2019 erhielten rund 600 der 1.120 Wechselwilligen eine Freigabe. Nach Angaben des Ministeriums gingen davon dann 205 Lehrer tatsächlich in andere Länder, etwa jeder Dritte nach Nordrhein-Westfalen. 195 Lehrer nahmen den umgekehrten Weg und zogen nach Niedersachsen – meist aus NRW, aber auch aus Hamburg. Und dies, wie das Ministerium betont, obwohl Hamburg angekündigt hat, die Bezahlung von Grundschullehrern auf das Niveau von Gymnasiallehrern anzuheben.

Das Ministerium weist deshalb so explizit auf diesen Umstand hin, weil die GEW die Wechselzahlen mit ihrer Kampagne „A13 für alle“ verknüpft. Schon lange fordert die Gewerkschaft, dass die Bezahlung von Grund-, Haupt- und Realschullehrern an die von Gymnasiallehrern angepasst werden muss. Immerhin sind auch die Studienordnungen mittlerweile angeglichen worden, die Ausbildung und die Belastung gleichwertig. Trotzdem verdienen Gymnasiallehrer immer noch rund 450 Euro mehr im Monat.

Eine Angleichung hat allerdings auch ein Großteil der umliegenden Bundesländer noch nicht vorgenommen. Lediglich in Schleswig-Holstein, Berlin, Brandenburg und Sachsen verdienen die verschiedenen Lehrkräfte mittlerweile gleich. In Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern laufen Verhandlungen darüber, die südlichen Bundesländer mit ihren noch stärker gegliederten Schulsystemen sperren sich.

Und um das Ganze noch zu verkomplizieren: Ein Gehaltsvergleich zwischen den verschiedenen Bundesländern ist auch deshalb schwierig, weil A12 und A13 nicht überall auf das gleiche Gehalt hinauslaufen. Jedes Land hat seine eigene Besoldungstabelle, manche gewähren Sonderzahlungen, andere nicht, und auch die Stundenanzahl bei der Unterrichtsverpflichtung variiert. Wer also aus finanziellen Gründen einen Antrag auf Versetzung stellen möchte, muss erst einmal Rechenaufgaben erledigen.

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