Niederlage für Lübecker Bürgermeister: Bürgermeister abgesägt
SPD-Bürgermeister Bernd Saxe verliert einen Volksentscheid und verzichtet auf eine vierte Amtszeit. Seine Chancen auf Wiederwahl wären gering gewesen
Auf eine vierte Amtszeit verzichte er „aus rein privaten Gründen“, erklärte der 62-jährige Sozialdemokrat am Sonntagabend. Dabei gibt es auch mindestens zwei politische Gründe für seinen angekündigten Rücktritt: eine Niederlage bei einem Bürgerentscheid und eine starke Gegenkandidatin.
Beim Referendum am Sonntag lehnte eine knappe Mehrheit der abstimmenden LübeckerInnen die Umgestaltung des Straßenzuges An der Untertrave zu einer Flaniermeile am Fluss ab. Grund dafür war die vorgesehene Fällung von 28 Winterlinden am Traveufer. Die etwa 70 Jahre alten Bäume sollten zwar durch 60 neue ersetzt werden, dennoch stoppten 50,3 Prozent der Abstimmenden das rund 15 Millionen Euro teure Vorhaben.
Nun muss Saxe, für den die Abstimmung eine Niederlage ist, eine neues Gestaltungskonzept für den Straßenzug am Rande der Unesco-Welterbe-Altstadt erarbeiten lassen. Seine dritte Amtszeit endet erst im April 2018. Beerbt werden wird Saxe mit großer Wahrscheinlichkeit von einer Frau: Kathrin Weiher soll nach mehr als 800 Jahren die erste Bürgermeisterin der einst so ruhmreichen Königin der Hanse werden.
Das gravierendste Beispiel für eine gescheiterte Standortpolitik ist der Lübecker Flughafen Blankensee.
2005 verkaufte die Stadt die Mehrheit am damals größten Flughafen Schleswig-Holsteins an den neuseeländischen Investor Infratil. Nach jahrelangen Verlusten stieg Infratil im Oktober 2009 wieder aus. Die Stadt musste drei Jahre lang die Defizite ausgleichen, während sie nach einem neuen Investor suchte.
2013 übernahm der ägyptische Kaufmann Mohamad Rady Amar den Airport für einen Euro. Nach einem Jahr verschwand Amar spurlos, der Flughafen musste Insolvenz anmelden.
2014 bekam der chinesische Unternehmer Chen Yongqiang den Flughafen für ebenfalls einen Euro. Er drehte nach nur einem Jahr den Geldhahn zu. Es folgte die zweite Insolvenz.
Im Juni 2016 pachtete der Lübecker Medizinunternehmer Winfried Stöcker den Flughafen, bis 2022 kann er ihn für wenig Geld kaufen.
Von ehemals 200 Arbeitsplätzen existieren zurzeit noch etwa 50.
Die 54-jährige parteilose Schul- und Kultursenatorin der Travestadt soll nach drei Jahrzehnten Regierungszeit männlicher Sozialdemokraten und drei Amtszeiten Saxes für frischen Wind sorgen. Sie ist die gemeinsame Kandidatin fast aller Fraktionen in der Lübecker Bürgerschaft, die nicht SPD heißen: CDU, Grüne, Bürger für Lübeck (BFL), FDP und Linke unterstützen Weiher.
Denn allzu groß ist die Unzufriedenheit der versammelten Opposition mit Saxe. Die Hansestadt ist mit einem Schuldenberg von rund 1,5 Milliarden Euro konkursreif, die Posse um den dreimal für lau an windige Investoren verkauften Flughafen, auf dem sich dennoch nichts bewegt, machte die Stadt bundesweit zum Spottobjekt (siehe Kasten).
Saxes Kritiker werfen ihm mangelnden Sparwillen und Ideenlosigkeit vor. „Schuldenkönig von Lübeck“ nennt ihn Marcel Niewöhner von der BfL. Er habe sich hinter Sachzwängen „verschanzt“, sagt Akyurt von den Grünen, die mehrfach mit Saxes SPD koaliert hatten: „In seiner Kommunikation war immer sehr viel Einbahnstraße.“
Jetzt solle Weiher „das leckgeschlagene Schiff wieder flottmachen“, lautet die Anforderung an die Diakoniewissenschaftlerin, die bei mehreren Sozialverbänden als Geschäftsführerin gearbeitet hat. Weiher solle verkrustete Verwaltungsstrukturen erneuern und „mehr Dialog wagen“, fordern ihre Unterstützer von ihr. Unklar ist indes noch, ob die SPD einen neuen Kandidaten präsentiert.
Vor zwei Jahren bereits hatte Weiher sich als Senatorin gegen den damaligen SPD-Fraktionschef Jan Lindenau durchgesetzt – mit 24 zu 23 Stimmen, unterstützt von demselben Anti-SPD-Bündnis, das sie nun zur Stadtchefin machen will. Der Probelauf von 2014 indes fand in der Bürgerschaft statt, BürgermeisterInnen aber werden direkt vom Volk gewählt.
Als Kandidatin gegen Filz in der SPD-Hochburg hinterm Holstentor wird Weiher sich präsentieren und als überparteiliche Bürgermeisterin für alle – und nicht zuletzt als Frau. Denn das kann nach 228 männlichen Vorgängern nicht schaden.
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