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Nie mehr Mittagspause in Halle 4Das Impfstoff-Projekt

In Deutschland werden Türken nur berühmt, wenn sie Profi-Fußball spielen oder einen Impfstoff entwickeln. Ich habe mich für das Zweite entschieden.

Ein Vorbild für die Arbeitskollegen: Ugur Sahin und Özlem Türeci bei der Verdienstkreuz-Vergabe Foto: dpa / Bernd von Jutrczenka

A ls die beiden türkischen Wissenschaftler Ugur Sahin und Özlem Türeci diesen Corona-Impfstoff erfunden haben, und dadurch berühmt, reich, Helden, Stars, Bundesverdienstkreuzträger, und was weiß ich noch alles geworden sind, ahnte ich schon, dass das kein gutes Ende nehmen wird.

Heute in der Mittagspause in Halle 4 fragt mein Arbeitskollege Hasan neugierig: „Na, Osman, wie weit bist du denn?“ „In fünf Jahren bin ich soweit. Danach werde ich keinen Finger mehr krumm machen“, freue ich mich. „Das ist doch nicht dein Ernst! In fünf Jahren haben wir ganz andere Viren“, antwortet er empört. „Mir doch egal. In fünf Jahren gehe ich in Rente und werde dann nie wieder einen Finger rühren, nicht mal einen halben“, grinse ich vielsagend.

In dem Moment kommt der Arbeitskollege Nedim strahlend zu uns: „Leute, ich habe bereits 62 Prozent Immunität“, jubelt er. „Womit hast du dich denn impfen lassen? Mit Biontech oder Astra Zeneca?“, frage ich neugierig. „Was für eine komische Frage – mit Biontech oder Astra Zeneca? Ich mache doch wie alle Türken meinen eigenen Corana-Impfstoff: Nedimtech! Wie weit bist du denn mit deinem Vakzin?“ „Das frage ich Osman auch die ganze Zeit, wie weit er mit seinem Impfstoff ist“, mischt sich Hasan wieder ein.

„Leute, wart ihr ohne Atemschutz lange in der Lackierhalle? Oder habt ihr gekifft?“, frage ich völlig durcheinander. „Osman, in dieser Gesellschaft kannst du doch als Türke nur dann zu Berühmtheit, viel Geld und zum Bundesverdienstkreuz bringen, wenn du entweder in der Fußball-Nationalmannschaft spielst oder einen Corona-Impfstoff erfindest. Jetzt noch mit dem Fußball anzufangen, dafür sind wir ein bisschen zu alt. Aber einen neuen Corona-Impfstoff können wir jederzeit erfinden. Ugur Sahin hat’s ja auch geschafft.“

Osman Engin

ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Corona. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Leckeres Betthupferl

„Meine beiden Söhne forschen auch an einem neuen Corona-Impfstoff. Und zwar jeder für sich“, meint Hasan stolz. „Nebenbei spielen sie natürlich Fußball. Mal sehen, womit sie schneller reich werden.“ „Leute, ich weiß nicht mal, wie man einen Selbsttest macht, geschweige denn einen Corona-Impfstoff erfindet. Ich gehe jetzt lieber arbeiten“, sage ich trotzig. „Seit 40 Jahren gehst du doch hier arbeiten. Wurde dir dafür jemals gedankt? Bist du etwa reich und berühmt geworden?“, rufen die beiden mir höhnisch hinterher.

Erschöpft werfe ich mich nach der Arbeit zu Hause aufs Sofa. „Eminanim, was gibt’s denn zu essen?“ „Osman, hau dir zwei Spiegeleier in die Pfanne. Ich kann doch nicht an einem neuen Impfstoff forschen und mich gleichzeitig ums Essen kümmern.“ „Oh, super! Kriege ich dein Impfstoff heute als Betthupferl?“

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