Neuer „Dracula“-Film: Nichts mehr herauszusaugen
Mit Luc Besson widmet sich ein weiterer Regisseur dem berühmtesten Blutsauger der Welt. Trotz Bildsprache hält „Dracula“ wenig Überraschungen bereit.
Auch bei kalten Untoten loderte einst das Feuer der Leidenschaft. Wie bei Dracula zum Beispiel, dem berühmtesten Blutsauger der Welt, den sein Adelstitel zwar sogar zum Blaublut macht, ihn jedoch nicht vor dem Schicksal bewahrte, das Romanautor Bram Stoker 1897 für ihn ersann. Als einer in einer Reihe von über 30 Regisseur:innen hat Regisseur Luc Besson sich nun jenes Schicksals angenommen und lässt es weit vor den meisten Filmadaptionen beginnen.
„Dracula – Die Auferstehung“. Regie: Luc Besson. Mit Caleb Landry Jones, Christoph Waltz u. a. Finnland/Vereinigtes Königreich/Frankreich 2025, 129 Min.
Graf Dracula (Caleb Landry Jones) ist ein wollüstiger Ehemann, der weder die vollen Lippen noch die Hände, noch sonstiges von seiner Partnerin Elizabeta (Zoë Bleu) lassen kann. Als dem Prinzen, der im Rumänien des 15. Jahrhunderts seine Frau durch das ganze Schloss liebt, der Krieg in die Quere kommt, wird bis zum letzten Moment weitergefummelt. Erst dann zieht er in die Schlacht – und muss kurz darauf Elizabetas Tod miterleben. Die Abkehr des designierten Höllenfürsten von Gott hat Besson als fuchsteufelswilde, blutrünstige Enttäuschung inszeniert.
Doch anders als in Stokers literarischer Vorlage, die im Übrigen aus Briefen, Tagebucheinträgen und Notizen von Jonathan und Mina Harker, Dr. Van Helsing und Dr. Seward besteht, lässt der opulenzbesessene Besson seinen dunklen Helden eine ganze Weile, vier Jahrhunderte nämlich, auf der sich verändernden Welt herumspuken, sich durch Rokokoperücken und den Klassizismus wühlen, die Elektrizität entdecken und jede Menge Frauen und (wenige) Männer aussaugen – um schließlich im 19. Jahrhundert endlich bei einem Immobilienhandel auf Mina, das Abbild (oder die Wiedergeburt) von Elizabeta, zu stoßen.
Bekannte Blutbahnen
Der Rest des Films bewegt sich in bekannten Blutbahnen, sowohl was Story als auch was Visualität betrifft: Hauptdarsteller Jones scheint sich mit Gary Oldman, dem Dracula der Francis-Ford-Coppola-Inszenierung aus dem Jahr 1992, neben dem Friseur auch noch den Schneider zu teilen. Allein aus Bessons Fantasie stammt allerdings, dass Dracula, der wieder in „junger“ Gestalt Mina umgarnt, mal die Mini-Drehorgel, mal einen ganzen Jahrmarkt zur Hilfe nimmt. Der notorische Nebenrollenakteur Christoph Waltz, der auch bei der neuen „Frankenstein“-Adaption den im Horrorgenre etablierten deutschen Wissenschaftler mimt, ist ein akzeptabler Van-Helsing-Epigone.
Bessons Set- und Kostümdesign, seine schwitzende Haptik ist beeindruckend – nicht nur Nonnen geben sich irgendwann dem Sinnesrausch hin wie im sündigen Sextraum eines italienischen Geistlichen, sondern auch die steinernen Horrorfresken der Dracula’schen Burg steigen vom Sims und mischen sich mit Gebrüll ins Kampfgewühl.
Doch vielleicht, weil der Dracula-Stoff eh schon so reich ist und seine Adaptionen es dementsprechend ebenfalls sind, kann Bessons Werk nichts Elementares hinzufügen. Im Gegenteil: Je mehr er sich bemüht, die Leinwand in ein verwirrendes Hieronymus-Bosch-Gemälde zu verwandeln, desto mehr sehnt man sich nach den reduzierten, aber bedeutungsschweren Wackelbildern aus Murnaus den eigenen Sarg tragenden „Nosferatu“, dem schlürfenden Kinski-Vampir, oder dem CGI-freien, aber gänsehauterzeugenden, schwebenden Oldman.
Alles schon gesehen
Alles, was Dracula symbolisiert, wurde von seinen Vorgängern längst herausgefaucht – sei es die Pestgefahr, die Personifizierung der Kriegsschrecken, der Zweifel am Glauben und am Paradies, die männliche Lust oder der Vampir als Gentrifizierer und Geldsauger.
Zudem verzichtet auch Besson darauf, endlich einmal den von Stoker angedeuteten Freiheitskampf der weiblichen Heldinnen Mina und ihrer modernen Freundin Lucy auszuarbeiten. Stattdessen macht er aus Mina einfach nur das nächste schlafwandlerisch-schöne „Love Interest“. Darüber könnte man aus Langeweile fast zu Staub zerfallen.
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