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Nichts gelernt aus der Masernwelle 2015Eine Stadt hat die Masern – mal wieder

Da könnte man Pickel kriegen: Trotz der Masernwelle 2015 hat die Impfbereitschaft der BerlinerInnen nicht zugenommen. Nun sind die Viren zurück.

Macht Fieber, Hautausschlag und Schlimmeres: ein Masernvirus unterm Mikroskop Foto: dpa

Berlin hat die Masern. Mal wieder. 21 Fälle seit Dezember – vor allem junge Erwachsene sind betroffen, aber auch ein neun Monate altes Baby hat sich angesteckt. Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) rief vergangene Woche dazu auf, man möge den Impfpass kontrollieren und sich im Zweifelsfall doch bitte zum Arzt begeben.

Hm. Erinnert sich noch jemand an die Aufregung im Oktober 2014? In Berlin gingen die Masern um, zunächst in einem Flüchtlingsheim, dann – mangels Impfschutz der BerlinerInnen – in der ganzen Stadt. Mehr als 1.300 Masernkranke binnen eines Jahres, ein Kleinkind starb.

Im März 2015, als das Landesamt für Gesundheit und Soziales mehr als 80 Neuerkrankungen pro Woche zählte – so viel wie im ganzen Jahr 2016 – planschte ich mit meinem Sohn plötzlich alleine im sonst eigentlich übervollen Babyschwimmkurs. Die anderen Eltern waren aus Angst vor Ansteckungsgefahr offenbar zu Hause geblieben – oder gleich zum Kinderarzt weitergefahren: Beim Robert-Koch-Institut registrierte man Anfang 2015 jedenfalls „einen deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Masernimpfstoffen“ in Berlin. Das habe sich aber inzwischen wieder normalisiert, sagt eine Sprecherin.

Tödliche Hirnhautinfektion

Schade eigentlich: Insbesondere bei den 30- bis 39-Jährigen gebe es große „Impflücken“, warnt die Gesundheitsverwaltung. Grund: Als die jetzigen Eltern selbst Kinder waren, war der Impfstoff neu, die Skepsis groß. Inzwischen hat sich der Impfstoff aber bewährt. Nur ein paar wenige Zahlen für notorische Impfgegner: Auf 100.000 Impfdosen, meldet das Paul-Ehrlich-Institut, das für die Zulassung der Impfstoffe zuständig ist, kamen in den letzten zwölf Jahren 5,7 Fallmeldungen von Impfkomplikationen. 0,9 Prozent davon verliefen tödlich.

Demgegenüber liege das Risiko für Babys, später an einer Hirnhautentzündung zu erkranken, nach einer Maserninfektion bei 1:300, sagt der Schöneberger Kinderarzt Jakob Maske, der auch Sprecher des Berliner Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte ist. Sonst liegt das Risiko einer tödlichen Hirnentzündung bei 1:1.000.

Dennoch geben die Eltern den mangelhaften Impfschutz an die Kinder weiter: Nur 62 Prozent der vierjährigen Berliner sind laut einer Studie der Kassenärztlichen Vereinigung ausreichend gegen Masern geimpft. Da könnte man doch glatt Pickel bekommen.

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7 Kommentare

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  • Gähn!

     

    Wieder so ein privates, unsachliches Posting einer "Experten-Mutter", die "Pickel" bekommt, wenn andere eine andere Sicht auf Dinge haben.

  • Warum nur wird die Debatte so schrecklich unsachlich geführt? - Vielleicht auch, weil die taz lieber auf Polemik setzt statt auf anstrengende Details?

     

    Im Artikel lese ich zigmal was von Babys, Infektionsgefahren und Impfung, aber es wird mit keinem Ton erwähnt, dass Babys (laut Definition unter 12 Monaten) laut den Empfehlungen der STIKO für MMR (ab 12 Monaten) überhaupt nicht geimpft sein sollen/dürfen. Wenn dann im ganzen Artikel an keiner Stelle Herdenimmunität auch nur erwähnt wird, zählt das für mich mehr unter Verwirrung als unter Aufklärung.

     

    Auch der Verweis auf die geringe Impfschadensquote "für notorische Impfgegner" nervt etwas, denn mir sind zwar schon ein Haufen verschiedenste Meinungen untergekommen, aber den einen autistischen amishen Alternativfaktenfan, der Angst vor einer hohen Rate direkter Impfkomplikationen bei MMR hätte, habe ich noch nicht getroffen. An den scheinen sich verschiedene Leitmedien aber regelmäßig zu richten.

     

    Aber vielleicht kann ich mir die Komplikationsangst ja noch bei "Dr. Martina Hahn-Hübner" abholen, deren Werbung für ihren selbstverfassten Impfratgeber (sie beteuert ganz sehr ihre Glaubhaftigkeit, die Dame ist unglaublich qualifiziert als Medizinjournalistin und Mutter..), deren Werbung auf dieser Seite eingeblendet wird...

     

    Da behaupte nochmal jemand, der Aufstieg von postfaktischen Lügenpresseschrei-Verschwörungstheoretikern hätte mit der Qualität unserer Leitmedien nichts zu tun...

  • 3G
    37818 (Profil gelöscht)

    Nur eine Zahl für notorische Impfbefürworter: Masernausbrüche lassen sich erst verhindern, wenn 95 % der Bevölkerung immun sind (http://www.impfen-info.de/impfempfehlungen/fuer-erwachsene/masern/infektion/). Das werden wir nie erreichen - wozu also das Gejammere? Soll doch jeder selbst entscheiden, ob er sich impfen lässt oder nicht.

    • 8G
      83663 (Profil gelöscht)
      @37818 (Profil gelöscht):

      Und Pocken gibt es in Deutschland auch noch???

    • @37818 (Profil gelöscht):

      Dann less mal genau den Link, den Du gegeben hast, da werden nämlich masernfreie Länder genannt. Geht also wohl doch?

      • 3G
        37818 (Profil gelöscht)
        @Jörg Kaufmann:

        Da steht: "Nord- und Südamerika, Skandinavien, viele Länder in Osteuropa und einige Staaten im Süden Afrikas sind frei von Masern." Das klingt nicht gerade danach, dass diese Teile der Welt masernfrei sind, weil dort 95% der Bevölkerung durch Impfung immun sind.

        @TAZTI: Unter einem "Vollkasko-Land" stelle ich mir eher ein Land vor, indem alle zu ihrem Selbstschutz gezwungen werden - was ja bei einer Impfpflicht dann auch tatsächlich der Fall wäre.

    • @37818 (Profil gelöscht):

      Die wirklich gefährdeten Säuglinge und Kleinstkinder können aber nicht selbst entscheiden und müssen dann unter Umständen ihr Leben lang für die Impfmüdigkeit der Gedankenlosen (und Eltern) bezahlen. Diese "Impfmüdigkeit" kann auch nur im vollkasko-Land Deutschland so herrlich gedeihen.

       

      Flüchtlinge & Migranten z.B. lassen sich gerne und auch gerne zweimal impfen. Diese Menschen können das kostenlose Impf-Angebot noch als medizinische und soziale Errungenschaft wertschätzen und sind sich wahrscheinlich der Gefahren dieser Welt (u.a. durch Infektionskrankheiten) deutlich bewußter.