Nicht jedes Gemüse ist vegan: „Kein Tierleid in der Möhre“
Wie auch der Ökoanbau von industrieller Tierhaltung profitiert und wie er dem entkommen kann, erklärt Agrar-Ingenieur Daniel Mettke.
taz: Herr Mettke, hat Sie überrascht, dass die Grünen Sie einladen?
Daniel Mettke: Nein, wieso? Bioanbau ist bei denen doch eigentlich zu Hause.
Klar, aber seit dem Veggie-Day-Debakel schiebt die grüne Partei-Elite Hass auf alles, was Verzicht auf Fleisch impliziert …
Hass finde ich übertrieben. Der Veggie-Day war sicher wahlkampftechnisch nicht gut vorbereitet. Aber gerade bei den jungen Mitgliedern der Grünen gibt es, mehr noch als in anderen Parteien, ein starkes Interesse an veganer Lebensweise. Und auf fachlicher Ebene erlebe ich ohnehin selten, dass unser Thema des bioveganen Landbaus als völlig gaga abgetan würde. Was es ist, ist eine gewisse Skepsis, dass wir doch wohl selber nicht glauben, dass in Zukunft überall biovegan gewirtschaftet wird.
Glauben Sie aber doch?
Die Frage stellt sich gar nicht. Wir wollen in erster Linie VeganerInnen eine Alternative anbieten – eine Konsumalternative. Und wir können beweisen, dass Landwirtschaft ohne Tiere möglich ist.
Ganz ohne?
32, Diplom-Agrarwissenschaftler, spezialisiert auf Ökolandbau, ist Vorstandsmitglied im Bund für vegane Lebensweise.
Na, der Regenwurm bleibt erwünscht, wir wollen ja keine sterilen Äcker. Aber auf Nutztiere kann man verzichten.
Aber weshalb sollte man?
Unser Ansatz ist eher pragmatisch. Wir sagen nicht ständig: Guck mal, die armen Tiere, wie schlimm es denen geht. Stattdessen schauen wir auf die Betriebe, die schon jetzt viehlos oder vieharm wirtschaften. Davon gibt es viele: Oft wurden die aus Gründen der Rentabilität aufgegeben, oft finden wir das aber auch in traditionell tierarmen Regionen. Diese Betriebe beziehen den Großteil ihrer Nährtsoff-Wertschöpfung bereits aus dem eigenen Anbau, haben aber keine Möglichkeit, das herauszustellen.
Dabei könnte das einen Wettbewerbsvorteil darstellen?
Wer die vegane Lebensweise konsequent zu Ende denkt, kommt an bio-veganer Landwirtschaft nicht vorbei. Aber funktioniert biologische Landwirtschaft ohne Tiere überhaupt? Oder würde eine vegane Gesellschaft zwangsläufig auf synthetische Düngemittel in der Landwirtschaft hinauslaufen?
Auf Einladung der grünen Landesarbeitsgemeinschaft Tierpolitik referiert Daniel Mettke am Samstag, 19. November ab 15 Uhr im Martinsclub und stellt sich den Fragen der TeilnehmerInnen.
Genau: Da sind wir am Start. Wir sagen: Das ist ja super, dass du ohne Tiere auskommst. Wenn ein Hersteller Ware aus bioveganem Anbau braucht, gibt es etliche Betriebe, die bereits drei Viertel des Weges schon gegangen sind. Da fehlt dann nur noch ein kleiner Schritt. Für die ist das sehr interessant. Tatsächlich erfüllen auch schon einige Produkte dieses Kriterium, und ab 2017 werden sie auch als bio vegan ausgewiesen werden: Das stelle ich in meinem Vortrag vor. Gleichzeitig dient er auch als ein Augenöffner für die vegane Szene: Für die ist es ja interessant zu sehen, dass rund 90 Prozent selbst der Bio-Produkte mit der Tierhaltung verbunden sind.
Weil Dünger aus Hornspänen und Blutmehl eingesetzt wird?
Gerade Hornspäne sind ein gutes Beispiel: Blutmehl aus konventioneller Tierhaltung ist beim EU-Biosiegel erlaubt, aber nicht bei den Verbänden wie Bioland oder Demeter. Aber Hornspäne werden überall eingesetzt. Und da profitiert der Ökolandbau von der Massentierhaltung. Damit sind die Bauern meist gar nicht glücklich.
Und die Veganer auch nicht.
Nein, denn es geht um einen vollständigen Verzicht auf Tiere. VeganerInnen wollen kein Tierleid in der Möhre. Das ist eine konsequente Denkweise, die im wahrsten Sinne des Wortes an der Wurzel losgeht, da wo die Pflanze ihre Nährstoffe aufnimmt.
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