Nicht genug Geld für Tierwohl: 4700 Bauern wollen mehr Tierschutz
Der Fonds für bessere Haltungsbedingungen hat so viele Bewerber, dass nur knapp die Hälfte mitmachen kann. Für mehr zahlen Aldi und andere Händler nicht.
BERLIN taz | Viele deutsche Landwirte würden ihre Tiere besser halten – wenn sie deshalb kein Geld verlieren. Das zeigt die am Montag veröffentlichte Zahl der Landwirte, die sich für die „Initiative Tierwohl“ angemeldet haben, die zunächst auf die Schweinehaltung begrenzt ist. Demnach haben sich 4.653 Betriebe registriert, um aus dem Fonds der Organisation Zahlungen etwa für zusätzlichen Platz im Stall zu bekommen.
Das sind mehr als doppelt so viele Halter als das Projekt aufnehmen kann. Die Finanziers – Einzelhandelskonzerne wie Aldi, Lidl und Rewe – wollen nur 52 Millionen Euro jährlich einzahlen. Diese Summe reicht lediglich für 2142 Betriebe, die pro Jahr 12 Millionen Schweine liefern.
Damit würden 20 Prozent der jährlich 60 Millionen in Deutschland geschlachteten Schweine profitieren. Zum Vergleich: Schweinefleisch aus der bedeutend tierfreundlicheren Bio-Haltung hat nur einen Marktanteil von rund 0,5 Prozent.
Nun überprüfen Inspektoren, ob die für die Initative zugelassenen Schweinehalter die Kriterien einhalten. Die Betriebe haben sich besonders häufig für die Punkte „zusätzliches organisches Beschäftigungsmaterial“ wie Stroh oder Holz und 10 Prozent mehr Platz entschieden. Das erste Fleisch soll im Herbst in den Läden liegen.
Für die Initiative sind die Anmeldezahlen ein „absolut erfolgreicher Start“. Sogar der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff, sagte der taz: „Das zeigt die Bereitschaft der Betriebe, etwas zu verändern, um wieder Akzeptanz in der Gesellschaft zu gewinnen.“
Grüne fordern mehr Geld vom Handel
Doch das große Interesse bedeutet auch: 54 Prozent der Bewerber gehen leer aus. 1720 „Verlierer“ hatten angegeben, die Kriterien bis zum 2. Mai erfüllen zu können, sind aber in einem Losverfahren aussortiert worden. „Viele Betriebe haben schon Geld in die Hand genommen“, berichtet Ostendorff. Um glaubwürdig zu sein, müssten die Fleischindustrie und der Lebensmitteleinzelhandel nun Geld nachschießen.
Daran arbeitet auch die Initiative: Sie will unter anderem Einzelhändler mit den bisher nicht bei ihr vertretenen 15 Prozent Marktanteil, Fleischverarbeiter und die Gastronomie als zusätzliche Geldgeber rekrutieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne