New-Adult-Serie „Crystal Hall“: Und wieder die alte Leier
Die New-Adult-Serie „Crystal Wall“ von ZDFneo kommt nicht ohne genretypische Klischees aus. Sie verpasst, das Genre neu zu denken.

New-Adult-Romane erleben seit einigen Jahren einen Boom. Sie richten sich üblicherweise an ein gerade postpubertäres, weibliches Publikum, im Mittelpunkt steht fast immer die heterosexuelle Romanze. Die wird nicht selten in Elitewelten des reichen Testosterons platziert, das der integren Schönen aus bescheidenen Verhältnissen verfällt.
So zuletzt gesehen in der deutschen Amazon Prime-Produktion „Maxton Hall“, basierend auf der New-Adult-Buchreihe der Hamburger Autorin Mona Kasten, die zu der erfolgreichsten internationalen Produktion von Amazon Prime überhaupt wurde. Nun präsentiert ZDFneo eine New Adult-Serie für das junge Publikum der Öffentlich-Rechtlichen und reitet die Welle des aktuellen Hypes.
Ab 27. April wöchentlich vier Folgen auf ZDFneo um 20.15 Uhr und bereits jetzt in der Mediathek
Die Kampfsportlerin Louna (Anna Bardavelidze) rettet dem Millionenerben Nicolas Dardenne (Gustav Schmidt) das Leben, er engagiert sie prompt als seine Bodyguard. Die Liebesgeschichte zwischen dem reichen Jungen, der Sehnsucht nach dem echten Leben hat, aber nicht genug, um „Adieu“ zu Papas Geld zu sagen, und dem Mädchen aus der Arbeiterschicht, das Flaschen mit ihren Zähnen öffnen kann, ist schnell abzusehen.
Der Twist in der Geschlechtsrollenkonstellation (sie rettet ihn) ist dabei ein eher halbherziger und leicht durchschaubarer Versuch, nicht vollends in Geschlechtsstereotype zu verfallen, und verbleibt im Gendern von „Bodyguard. „Meine Bodyguard“ nennt Nicolas Louna mit verführerischem Lächeln und beweist damit, dass auch reiche Junggesellen der geschlechtersensiblen Sprache mächtig sein können.
Unlogische Dialoge und veraltete Ästhetik
Wenn Nicolas „Papa“ auf der zweiten Silbe betont, weil Reichsein in New-Adult-Logik stets mit Frankophonie zusammenzuhängen scheint, und er Louna zuerst ein Glitzerkleidchen kauft und sie anschließend über zeitgenössische Kunst aufklärt, dann sind die mit unter schlichtweg unlogischen Dialoge („Das Kleid ist teurer als das Auto meiner Mutter, wenn sie eins hätte“ – „Und es sieht auch besser aus“) das kleinste Übel.
„Crystal Wall“ erzählt wieder und wieder in allen Bildern die uralte Leier des reichen Mannes und der schönen und charakterlich aufrechten Frau, hier inklusive uninspirierter Sexszenen und generischer Popmusik. Die Welt der Reichen, die Sehnsuchtspunkt der Zuschauerschaft sein soll, wird dabei auch visuell nicht getroffen, die Ästhetik verbleibt im Gossip-Girl-Stil der 2000er-Jahre. Reichtum sieht bei „Crystal Wall“ ein bisschen so aus wie in einer Playmobil-Villa: Chihuahua im Arm, Champagnergläser in der Hand und Puffkostüme aus Tüll am Körper.
Dass die heutige reiche Jugend anders aussieht und anders feiert, wird verpasst. Die Serie wird durch das Bedienen von genretypischen Merkmalen wie dem sogartigen Bingecharakter (24 Folgen à 25 Minuten), der auch die Buchreihen durch ihre Länge auszeichnet, und der typischen New-Adult-Ästhetik des Vorspanns große Teile der typischen Leserschaft ansprechen. Aber der Preis dafür ist dieselbe fantasiearme Ploterzählung, die dem Genre so häufig innewohnt.
New Adult bezeichnet zuvorderst nichts als die angestrebte Zielgruppe – warum sollten junge Frauen nicht originelle und innovative Liebesgeschichten mit mindestens ebenso großem Interesse verfolgen? Die Chance, dieser Frage nachzugehen, hat „Crystal Wall“ vertan.
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