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Neuwahl in SingapurLees letzte Schlacht

In Singapur lässt Premier Lee Hsien Loong in der Coronakrise vorzeitig wählen. Er erhofft sich davon ein letztes starkes Mandat.

Anhänger des Premiers Lee Hsien Loong wedeln mit Fahnen der People´s Action Party Foto: Ee Ming Toh/

Berlin taz | „Die Wahrheit ist, dass höchstwahrscheinlich die PAP bei der Wahl (am Freitag) wieder das Mandat zum Regieren erhält“, sagt der 44-jährige Ökonom und Oppositionskandidat Jamus Lim. „Aber wir wollen einen Blankocheck verhindern. Nur darum geht es bei dieser Wahl.“

Lim sprach damit bei der einzigen TV-Debatte des nur neuntägigen Wahlkampfes aus, was im Stadtstaat Singapur für alle Oppositionsparteien seit der Unabhängigkeit 1965 bittere Realität ist: Die People’s Action Party (PAP) hat bei allen Wahlen mindestens 90 Prozent aller Sitze gewonnen. Dabei sank ihr Stimmenanteil stetig niedriger, zuletzt allerdings lag er wieder bei 69,9 Prozent.

Die Regierungspartei profitiert nicht nur stark vom Mehrheitswahlrecht, sondern darf auch kurzfristig Wahlen ansetzen und Wahlkreiszuschnitte ändern. Bisher kam die PAP mit nur drei Premierministern aus.

Der amtierende 68-jährige Lee Hsien Loong ist der Sohn von Singapurs konservativem Staatsgründer und Übervater Lee Kuan Yew. Lee jr. setzte die Wahl mitten in der Coronakrise an, weil seine Regierung jetzt ein starkes Mandat brauche. Dabei hätte Lees Amtszeit noch bis Frühjahr 2021 angedauert: Er hatte angekündigt, sein Amt abzugeben, bevor er 70 Jahre alt wird.

Virtueller Wahlkampf

Weil größere Veranstaltungen wegen der Pandemie nicht erlaubt sind, fand der kurze Wahlkampf fast nur online statt. Die Opposition hatte keine Chance, sich in so kurzer Zeit effektiv zu organisieren. Außerdem hat sie mit einem Gesetz zu kämpfen, das angeblich gegen die Verbreitung von Fake News helfen soll. Es zwingt Betreiber von Webseiten, auf diesen Warnhinweise anzubringen, wenn die Regierung darauf Behauptungen für falsch hält.

Singapurs autoritär regierende PAP kontrolliert weitgehend Staat, Wirtschaft, Medien und Justiz und hat schon einige Oppositionspolitiker mit Verleumdungsprozessen in den Ruin geklagt. Doch irgendwann sorgte sich die PAP, die dem Stadtstaat zu großem Wohlstand verholfen hat, selbst um die Glaubwürdigkeit des von ihr dominierten Systems. Seitdem schickt die Regierung selbst einige Wahlverlierer aus der Opposition ins Parlament.

Bei der jetzigen Wahl fordern zehn Parteien die PAP heraus. Es ist erst das zweite Mal, dass die Opposition über Kandidaten für alle 93 Sitze verfügt. Bisher hatte nur die Arbeiterpartei (WP), für die auch der eingangs zitierte Lim antritt, sechs Abgeordnete. Einig ist sich die Opposition in der Ablehnung der von der Regierung angekündigten Mehrwertsteuererhöhung.

Die erstmals antretende Singapur Fortschritts Partei (PSP) wurde letztes Jahr von einem PAP-Abtrünnigen gegründet. Er gewann mit Lee Hsien Yang den jüngeren Bruder von Premier Lee als Mitglied. Der wirft seinem Bruder vor, die Ideale des Vaters verraten zu haben und Politik für die Eliten zu machen. Doch wollte er nicht selbst kandidieren. „Ich glaube nicht, dass Singapur einen weiteren Lee braucht“, sagte er.

Coronavirus trifft Arbeitsmigranten

Singapur ist bisher glimpflich durch die Coronakrise gekommen, zumindest die eigenen sechs Millionen Bürger betreffend. Doch das Virus machte auf die prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen der vielen Gastarbeiter aufmerksam. Rund 90 Prozent der bisher 45.000 Infizierten in Singapur sind ausländische Arbeitsmigranten.

Premier Lee erklärte die Pandemie zu Singapurs größten Herausforderung seit der Unabhängigkeit. Der Handels- und Finanzmetropole droht ihre größte Wirtschaftskrise. Viele dürften deshalb stabile Verhältnisse wählen statt einer unerfahrenen Opposition.

„Ich bin entschlossen, Singapur intakt und in gutem, arbeitsfähigem Zustand an das nächste Team zu übergeben“, versprach Premier Lee. Damit meinte er die vierte Führungsgeneration der PAP unter seinem auserkorenen Nachfolger Heng Swee Keat. Während der sich jetzt bei der Wahl beweisen muss, werden Lees Worte als Andeutung interpretiert, er können womöglich länger im Amt bleiben, sollte die Krise länger andauern.

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