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Neustart für den ProfifußballPolitik, ganz kenntnisfrei

Kommentar von Johannes Kopp

Sportminister Seehofer ist für eine Wiederaufnahme der Bundesliga – trotz des Risikos für Spieler und Fans.

Das waren noch Zeiten: Bayern München gegen RB Leipzig – mit Fans! Foto: dpa

V iele Argumente sind zuletzt in der Debatte darum ausgetauscht worden, ob der deutsche Profifußball seine Geschäfte wieder aufnehmen soll. Und ausgerechnet der Innen- und Sportminister Horst Seehofer hat sich mit Statements lange zurückgehalten. Am Wochenende hat er nun Position bezogen und gezeigt: Politik kann auch ohne Kenntnisse formuliert werden.

Seehofer stellte sich hinter den Zeitplan der Deutschen Fußball Liga, im Mai die Saison wieder starten zu lassen, und machte zugleich klar: Bei einem positiven Coronafall müsse das ganze Team in Quarantäne. Genau dieser Automatismus ist aber in den DFL-Plänen nicht vorgesehen und somit dürfte Seehofer eigentlich auch der DFL-Zeitplan nicht gefallen.

Obendrein veranschaulichte das schlechte Timing des Interviews die Unwissenheit Seehofers recht plastisch. Denn mittlerweile hat der 1. FC Köln drei positive Coronafälle vermeldet – und ebenso darüber informiert, dass der Rest der Mannschaft das Training am Montag wieder aufnehmen wird. Ebenso wird die Forderung von Seehofer, es könne nicht sein, dass Profispieler öfter getestet werden als Pfleger oder Polizisten, durch das DFL-Konzept, das mindestens zwei Tests pro Woche vorsieht, konterkariert.

Die DFL versucht mit einer risikoratifizierten Methode den Spielplan bis Ende Juni durchzupeitschen, weil dann viele Profiverträge auslaufen. Seehofers kenntnislose Gefolgschaft macht deutlich: er ist mehr an einem positiven Signal für den Fußball und seine Fans als an Risikoabwägungen interessiert.

Abenteuerlich ist indes, dass sowohl die DFL als auch Seehofer sagen, es dürfe keine Privilegien für den Profifußball geben. Laut DFL beanspruchen die etwa 720 Profifußballer „nur“ 0,4 Prozent der Testkapazitäten in Deutschland. Privilegienfrei hochgerechnet hätte dann Deutschland nur 180.000 Einwohner. Die Differenz zur tatsächlichen Zahl bildet gut ab, wie privilegiert der durch die Politik gestützte Profifußball ist.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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4 Kommentare

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  • Aus aktuellem Anlass ein kurzer Beitrag zur Frage der (angeblich nicht vorhandenen) Privilegierung von Profi-Fußballern in Sachen Corona-Tests:

    Mein Sohn arbeitet in einer Pflegeeinrichtung, in der vor wenigen Tagen ein erster Corona-Fall aufgetreten ist. Der für dieses Wochenende angekündigte Test aller Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen der Einrichtung wurde abgesagt, Begründung: Es konnte keine Einigung gefunden werden, ob das Gesundheitsamt oder die jeweiligen Versicherungen die Kosten für die Tests tragen sollen.



    Ob das was mit der Bundesliga zu tun hat? Keine Ahnung, aber wir reden doch die ganze Zeit von Prioritäten, oder nicht?

  • Und da ist sie, die zweite Welle! TOOOOR! Videobeweis: Ein klares Eigentor von DFL, DFB, Politik und allen Geisterspielbefürwortern.

  • Könnten nicht alle Spieler und Funktionäre jeder Mannschaft bis Saisonende gemeinsam in Quarantäne - wie in ein etwas verlängertes Trainingslager? Man könnte die Saison ja durch mehrere Spiele die Woche beschleunigen. Am Ende werden sie alle getestet und bleiben noch zwei Wochen zu Hause.

  • 0G
    09139 (Profil gelöscht)

    Schluss mit den Privilegien beim Männerprofifußball!



    Saisonabbruch, und hört auf zu jammern @ Fußball - Business. Da sollte dann erstmal zB die Tennis- und Tischtennisliga wieder starten, da ist genug Abstand. Aber da lässt sich halt nicht so viel Geld damit machen. Es nervt nur noch. Schaut auf andere Sportarten: zB Abbruch im Eishockey , und es geht! Und niemand jammert deswegen so rum wie die eh schon sehr privilegierten Herren aus dem Bereich des Profifußballs. Wenn die vielen vielen Spieler und Anhang , die Millionen im Jahr verdienen, auf 90 % ihres Gehaltes verzichten würden, könnte das Geld an die anderen Angestellten der Vereine gegeben werden. Und die Spieler hätten immer noch ein schönes Leben und hohes Gehalt. Also wo liegt das Problem?



    In Zukunft muss gelten:



    Deckelung der extrem übertriebenen Gehälter!



    Mit zB 10.000 Euro pro Monat kann man sehr gut leben. Und mit Mitte 30 ist man auch noch nicht zu alt für eine Umschulung und kann danach noch in einem (evtl. sogar systemrelevanten) Beruf weiter arbeiten.



    Von den Herren selbst hört man keinen solcher Vorschläge für ein sozialeres Zusammenleben, warum nur....?