piwik no script img

Neustart der Fußball-BundesligaSaubermänner des deutschen Fußballs

Die Funktionäre der Deutschen Fußball Liga können ihr Schicksal sorglos in die Hände von Politikern legen – und dabei ihre Hände in Unschuld waschen.

Massenmagnet Fußball: Weltmeister Bastian Schweinsteiger lässt sich vom „Volk“ feiern Foto: imago/Laci Perenyi

Der Maulkorb war die erste Hygie­ne­maßnahme, welche die Deutsche Fußball Liga ihren Vereinen vor gut zehn Tagen verordnete. Bloß kein falsches Wort zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs, das sich in Windeseile im ganzen Land verbreiten und das Wohl des Profifußballs gefährden könnte! In einem Schreiben an die Klubs bat DFL-Geschäftsführer eindringlich um Zurückhaltung. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, der Fußball ignoriere in seiner Selbstbezogenheit die Realität.“

Ein interessanter Satz. Die Vereine, so der DFL-Wunsch, sollten ihre Forderungen nach einer Sonderstellung für den Fußball lieber für sich behalten. Schnell hat die DFL erkannt, dass in dieser existenziell bedrohlichen Krise nur selbstbezogene Realpolitik und kein Fundamentalismus hilft. Den Ernst der Lage hat Seifert am Donnerstag so umschrieben. Die Bundesliga könne der Kollateralschaden der Coronakrise sein.

Um das zu vermeiden, lässt die DFL nun den Eindruck entstehen, ihr Schicksal in die Hand anderer zu legen. Mediziner, Virologen und Politiker, so die Botschaft, haben jetzt das Sagen im deutschen Fußball.

Im Zuge der zahllosen Hygie­ne­maßnahmen scheint Christian Seifert sogleich die DFL reinwaschen zu wollen. Am Donnerstag war es ihm ein Anliegen, einmal ganz grundsätzlich zu werden: „Wenn unsere Arbeit mit Missgunst begutachtet wird, dann verstehe ich das nicht. Was hat der Profifußball falsch gemacht?“

Gefahr durch Maskottchen gebannt

Geschickt spielt Seifert in der momentan angespannten Lage die Rolle des bescheidenen Zuarbeiters. Die DFL kann sich diese Zurückhaltung leisten.

Kein anderer Sportverband in Deutschland hätte die Finanzkraft, ein solch ausgetüfteltes Sicherheitskonzept, wie es unter der Leitung des DFB-Chefmediziners Tim Meyer entstanden ist, in Auftrag zu geben und umzusetzen. Geisterspiele würden künftig in einer Sicherheitsblase stattfinden, die trotz aller unvermeidbaren Anfälligkeit kaum gründlicher durchdacht sein könnten. Auch die Ansteckungsgefahr durch Maskottchen ist in dem 41-seitigen Regelwerk gebannt worden.

Auf die Unterstützung politischer Verantwortungsträger kann der Profifußball sowieso zählen. Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler mag sich da noch so sehr über die Bevorzugung des Fußballs durch die Politik beschweren. Zu lange haben beide Seiten voneinander profitiert. Und in Zeiten, wo der Unmut in der Bevölkerung über coronabedingte Einschränkungen stetig wächst, kann sich die DFL sowieso sorgenlos in Obhut von Regierungsvertretern begeben. Das Grundrecht auf Fußball ist vermutlich nur wegen formaler Schwierigkeiten noch nicht im Grundgesetz verankert. Einschränkungen an dieser Stelle sind nur schwer vermittelbar.

Dass die Fußballfunktionäre nicht mit forschen Forderungen auftreten, ermöglicht es den Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel, sich am 30. April als Hauptverantwortliche für den Neustart der Bundesliga wieder ein wenig zu profilieren. Mal zu geben, statt zu nehmen.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Der DFL wäre damit auf kurze Sicht geholfen. Und wenn das mit Risiken versehene Projekt der Wiederaufnahme des Spielbetriebs schiefgeht, kann man darauf verweisen, die Verantwortung andern übertragen zu haben. Mit ihren TV-Partnern hat sich der Verband mit der Perspektive auf Geisterspiel auf eine Vorauszahlung der noch ausstehenden TV-Prämien geeinigt. Die Gefahr von Insolvenzen in den nächsten Wochen ist damit abgewendet.

Die Strategie der bescheidenen Realpolitik trägt aber auch weiter. Die Absage des Münchner Oktoberfests weist darauf hin, dass man vermutlich weit bis in die nächste Saison mit Bundesligaspielen ohne Publikum rechnen muss. Die DFL wird im kommenden Herbst wieder mit Virologen und Politikern ausloten und verhandeln müssen, wann womöglich die eng gesteckten Grenzen des Erlaubten weiter ausgedehnt werden können.

Die letzten Wochen haben gezeigt: Die Macht des Profifußballs ist groß genug, dass ihre Interessenvertreter sie scheinbar anderen übertragen können. Derweil können sie ihre Hände in Unschuld waschen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • wir sprechen von 4-5 Wochen Fussball um die Saison fertigzuspielen, also um sehr überschaubaren Zeitraum. Fussball hat netto das Gewicht vom 0,2 BIP Brutto d.h. hotel etc. natürlich mehr

  • KEIN Fußball. Nicht jetzt! Die Lockerungen kommen zu früh, die zweite Welle......, na dann, TOOOOR! Bin UNION Mitglied. Egal. Keine Geisterspiele!

  • "Das Grundrecht auf Fußball ist vermutlich nur wegen formaler Schwierigkeiten noch nicht im Grundgesetz verankert."



    Das ist so nicht richtig. Der Grund ist, dass in unserer Verfassung die Gleichstellung der Geschlechter festgeschrieben ist. Das Grundrecht auf Fußball würde selbstverständlich nur für Männerfußball gelten.

    • 0G
      01062 (Profil gelöscht)
      @gelangweilt:

      "Das Grundrecht auf Fußball würde selbstverständlich nur für Männerfußball gelten"

      Das "Sonderrecht" gilt für die Ligen der Sportart, in die das meiste Geld fließt.

      Hat ganz einfach mit Kapitalismus bzw. Lobbyismus zu tun, brauche ich denke mal nicht weiter auszuführen.

      Wenn es für die Speerwerferinnen Milliarden Fernsehverträge, Merchandise etc.... gäbe, wären sie es, die als Erste wieder anfangen dürften.....

      Das sieht an am Besten dran, dass außer den ersten beiden Ligen, alle Anderen bis in die Kreisklasse B auch in die Röhre gucken müssen.

      Ist das gerecht? Natürlich nicht! Mit Gender hat das aber nix zu tun...

      • @01062 (Profil gelöscht):

        Warum erkennt heutzutage keiner mehr Ironie?

        • 0G
          01062 (Profil gelöscht)
          @gelangweilt:

          Kann bei der Thematik leicht passieren, wenn man ohne Gestik, Mimik und Tonlage der Stimme seines Gegenüber auskommen muss. ;-)