Neurechter auf Podiumsdiskussion: Bühne für Götz Kubitschek
In Sachsen-Anhalt wollte CDU-Innenminister Stahlknecht mit dem Neurechten auf einem Podium diskutieren. In der Koalition entbrannte Streit.
Es wäre eine Premiere – und ein Tabubruch. Erstmals würde ein völkischer Ideologe mit einem Minister auf staatlicher Bühne diskutieren. Kubitschek ist der prominenteste Vertreter dieser weit rechten Strömung. Von einem Rittergut aus vertreibt er Szeneschriften, lädt Gleichgesinnte zu Akademien ein. Darunter sind immer wieder Personen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden – wie die Identitären. Kubitschek selbst tritt für eine rechte „Kulturrevolution“ ein.
In der Koalition aus CDU, SPD und Grünen in Sachsen-Anhalt sorgt der Stahlknecht-Auftritt für Streit. „Einigermaßen fassungslos“ sei er, sagt SPD-Landeschef Burkhard Lischka. Kubitschek werde vom Verfassungsschutz beobachtet, „rechte Burschenschaftler, Identitäre, Holocaustleugner und Neonazis“ träfen sich auf seinem Rittergut. „Diesen Rechtsextremen darf man keine Bühne bieten. Eine politische Aufwertung, wie sie Stahlknecht praktizieren will, verbietet sich von selbst.“
Auch der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Sebastian Striegel, kritisierte, dass man „jemandem, der sich eine Systemüberwindung zum Ziel setzt, ohne Not eine staatliche Bühne bietet“.
Stahlknecht verteidigt seinen Auftritt. „Wir müssen den kritischen Diskurs mit solchen Positionen, für die Herr Kubitschek steht, suchen“, sagte er der taz. Dies gelte auch mit Blick auf den Wahlerfolg der AfD in Sachsen-Anhalt. Mitnichten teile er diese Positionen. Er wolle sie jedoch in der Auseinandersetzung entlarven und aufzeigen, welche Gefahren sie für eine demokratische Gesellschaft darstellten.
Theater Magdeburg
Auch das Theater Magdeburg verteidigte seine Veranstaltung. Man sei sich „in vollem Umfang bewusst“, dass Kubitschek ein „hochgradig kritikwürdiger Ideologe“ sei, sagte eine Sprecherin. „Ignoranz allein aber trägt nicht zum Verschwinden der Probleme bei.“ Man werde eine Selbstdarstellung Kubitscheks „in die Schranken weisen“ und suche die „kritische Auseinandersetzung“.
Am Nachmittag zog Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) die Reißleine: Stahlknecht werde an der Veranstaltung nicht teilnehmen, sagte ein Sprecher. „Die Auseinandersetzung mit rechten Ideologien muss sicherlich offensiv geführt werden.“ Das vom Theater vorgeschlagene Format sei dafür aber „weniger geeinigt“.
Kubitschek machte schon vor Jahren klar, was er von solchen Diskussionen hält. 2007 schrieb er in seinem Buch „Provokation“: „Uns liegt nicht viel daran, dass Ihr unseren Vorsatz versteht. Wozu sich auf ein Gespräch einlassen?“ Diese Mittel seien aufgebraucht, so Kubitschek. „Von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird Euch kein Wort überzeugen, sondern bloß ein Schlag ins Gesicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“