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Neuplanung der WeservertiefungGesetzlicher Tiefschlag

Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Bremen plant erneut, die Weser auszubuddeln. Die Grundlage ist ein umstrittenes Gesetz des Verkehrsministers.

Wer Flüsse vertieft, wird Hochwasser ernten: Radweg in die Weser bei der vorletzten Sturmflut Foto: Nordphoto / Imago

Bremen taz | Die Weser soll per Gesetz vertieft werden. Während Be­für­wor­te­r*in­nen von einem „wichtigen Schritt“ für das Erreichen der Klimaziele der Regierung sprechen, prognostizieren Umweltverbände ein ökologisches Desaster. Umstritten ist auch die gesetzliche Grundlage. Am Mittwoch war die Frage Gegenstand einer Aktuellen Stunde in der Bremer Bürgerschaft.

Zwei Jahrzehnte lang wird bereits um die Weservertiefung gerungen. Ziel ist es, die Weser für noch größere Schiffe befahrbar zu machen und damit die Konkurrenzfähigkeit der Häfen zu sichern. Gegen einen Beschluss von 2011 hatte der BUND erfolgreich geklagt: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) legte damals den Bau auf Eis und reichte die Sache an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiter. Der bestätigte den Baustopp und definierte die Kriterien, an denen sich Bauvorhaben in der EU bezüglich der Wasserqualität zu orientieren haben.

Damit war der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss Makulatur, ein Sieg für die Umweltschützer. Vergangenen Donnerstag war bekannt gegeben worden, dass er endgültig formell aufgehoben sei – aber „um den Weg für den zügigen Neustart freizumachen“, so die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV). Möglich macht den Neustart das umstrittene „Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz“ (MgvG) aus dem Hause des Verkehrsministers Andreas Scheuer (CSU), der bislang vor allem durch seine fehlerhafte Auslegung des Europarechts bei der Maut für Furore und extreme Kosten gesorgt hat. Es soll die Grundlage für mehrere Großbauprojekte bilden, darunter die Weservertiefung.

Ob es mit EU-Richtlinien vereinbar ist, ist umstritten: Aus Sicht des BUND dient das MgvG vor allem dazu, „die gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten von Großprojekten auszuhebeln“. Das Ministerium drückt es anders aus. Dem Entwurf zufolge zielt es auf die Beschleunigung „wichtiger umweltfreundlicher Verkehrsprojekte“ ab. Die Beschleunigung soll durch die Aufhebung des Rechtsschutzes durch Verwaltungsgerichte erfolgen. Die „Umweltfreundlichkeit“ bezieht sich im Falle der Weservertiefung auf das Schiff als umweltfreundlichen Verkehrsträger. Eine umstrittene Einstufung, immerhin ist der Gütertransport über das Meer für etwa 2,2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Das entspricht in etwa dem Anteil Deutschlands.

Das Gesetz definiert die Weser-vertiefung einfach neu als umweltfreundliche Maßnahme

Uwe Beckmeyer vom Wirtschaftsverband Weser (WVW) betont deshalb die relative CO2-Effizienz der Weservertiefung: Je mehr Verkehr per Schiff laufe, desto mehr Laster würden eingespart, was im Verhältnis effizienter sei. Darüber hinaus betrage der geplante Eingriffsumfang nur ein Zehntel von dem der Elbvertiefung. Die wirtschaftliche Notwendigkeit stehe außer Frage: Am Anschluss an den Welthandel hänge die Wirtschaftskraft der Region, deshalb müssten die Häfen an der Weser für Reedereien attraktiv bleiben.

Auch die WSV betont die prinzipielle Notwendigkeit der Weservertiefung. Das Urteil des BVerwG habe die Mängel des alten Beschlusses „ausdrücklich als heilbar“ erklärt. Die Wasserrahmenrichtlinie der EU werde berücksichtigt im Sinne der Auslegung des EuGH. Diese Grundsätze habe die WSV „unter anderem bei der Elbvertiefung“ angewandt, mit Erfolg, so die eigene Einschätzung.

In der Bürgerschaft betonte Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD), die Weservertiefung sei eine „unstreitige Notwendigkeit“. Schließlich hänge jeder fünfte Arbeitsplatz im Land Bremen von den Häfen ab. Der Senat sei sich darin, anders als die Opposition kritisiere, einig: Alle Parteien zögen an einem Strang. Der Außenweservertiefung hatten auch die Bremer Grünen und Linken im Koalitionsvertrag zugestimmt – wenn auch zähneknirschend und mit ökologischen Bedenken. Eine Vertiefung der Unterweser von Brake bis Bremen wird aber im Koalitionsvertrag ausdrücklich abgelehnt.

Das MgvG sieht aber auch die Vertiefung der Unterweser vor und wird deshalb von Grünen und Linken kritisiert. Außerdem sei zu befürchten, dass es aufgrund der Einschränkung des Rechtsschutzes gegen Verfassungs-, Völker- und Europarecht verstoße, so Sülmez Doğan (Grüne) in der Landtagssitzung. Sollte das MgvG rechtlicher Überprüfung nicht standhalten, werde das Verfahren auch nicht beschleunigt.

Neben juristischen Bedenken bleibt die ökologische Kritik: In zwölf Vertiefungen wurde seit 1887 die Weser immer größeren Schiffen angepasst. Das hat die Flussökologie „kaputt gemacht“, so Martin Rode vom BUND. Durch den geplanten Eingriff sei eine Negativspirale zu befürchten, deren Effekte sich durch die Klimakatastrophe nur noch verschlimmern würden. Auch die Elbe drohe aufgrund der Vertiefungen zu kollabieren. An der Ems sei der Flusstod schon eingetreten. Selbst die positive CO2-Bilanz sei „völlig verzerrt“, besonders weil in Brake vor allem umweltschädliche Sojabohnen angeliefert würden – als Futtermittel für die ebenso umweltschädliche Massentierhaltung.

Bis zu einem Beschluss sei es noch ein weiter Weg, so der BUND-Geschäftsführer. Das Verfahren auf Grundlage des MgvG verspreche zwar viel Öffentlichkeitsbeteiligung. Aber im Grunde bleibe alles beim Alten. Dennoch wollen sich die Umweltverbände einbringen. Erst sobald ein Ergebnis auf Grundlage des umstrittenen Gesetzes vorliege, könnten sie weitere Schritte abwägen. Das MgvG als Basis fordere Überprüfungen geradezu heraus.

Für den WVW spielt das keine entscheidende Rolle. Über die Anpassung der Außen- und Unterweser seien sie sich mit dem Verkehrsministerium einig, so Beckmeyer. „Durch das neue MgvG oder durch ein konventionelles Planverfahren.“

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