Neuordnung im Dortmund- „Tatort“: Erzählstränge für alle
Nach seiner Auszeit wirkt Kommissar Faber noch grauer. Dann gibt es erst einen, dann noch einen Toten und schließlich einen Zeugen im Wachkoma.
Faber ist wieder da. Also fast. Ein bisschen. Wie üblich trägt er seine Parka-Uniform, der Wallebart und die Zauselfrisur der vorigen Dortmunder „Tatort“-Folge sind aber ab. Er wirkt ruhiger, vielleicht nur egaler als früher, vor seiner Auszeit, und grauer; obwohl das bei den gewohnt düsteren Filmfarben jener Filiale auch nur so scheinen mag.
Er ist also wieder da. „Tut mir leid, dass ich Ihren Feierabend störe“, sagt Hauptkommissar-Kollegin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger), als sie sich nachts an einem Tatort treffen – „Sehe ich so aus als könnte ich nicht mehr arbeiten?“, Faber (Jörg Hartmann) winkt ab.
„Love is Pain“,
So 20.15 Uhr, ARD
Der Film beginnt in einer Straßenbahn, nachts, Endstation, einer ist sitzen geblieben, der Fahrer will Feierabend machen, also schaut er nach – da steht der Mann auf: Fünf Messerstiche, und Hamza Arkadaş ist tot. Der Täter dreht sich um, schaut in die Überwachungskamera der Bahn, zeigt auf sein Auge, darunter eine Tätowierung, eine Träne.
Kurz darauf noch ein Toter, ein Barbesitzer, Lars Ramme. Wieder hält der Täter sein Gesicht in die Überwachungskamera, wieder zeigt er auf sein Auge. Es ist derselbe Mann.
Ein Sportunfall, heißt es
Die beiden Opfer sind im gleichen Viertel aufgewachsen, wer der Typ mit der Träne ist, tja, Herzog, Faber, Pawlak (Rick Okon) haben keine Ahnung, trotz Hilfe von der Kollegin mit Super-duper-Gesichtserkennungsbegabung (Sar* Adina Scheer), die sämtliche Überwachungsvideos der Stadt scannt.
Sie finden aber noch einen Mann aus dem Umfeld der Toten: Tom, er liegt im Pflegeheim, Wachkoma. Ein Sportunfall, heißt es; nach 45 Minuten fällt der Begriff „autoerotischer Unfall“, so steht’s in den alten Akten, aber so richtig ermittelt hat damals offenbar keiner. Das Team recherchiert dem alten Fall hinterher, mit Tatortbegehung, dem damaligen Ermittler und allem Pipapo. Ums abzukürzen: Der Unfall, die beiden Morde, es war alles anders, logo, Auflösung erst im Grande Finale, „Love is Pain“, so der Folgentitel, der in seiner Einfallslosigkeit auf 80 Prozent aller Sonntagskrimis passt, ach na ja.
Viel interessanter ist, dass dieser Film (Regie: Sabine Bernardi, Buch: Bob Konrad und Hanno Hackfort) etwas Übergeordnetes erzählt: Denn die Dortmunder Figurenkonstellation ist in Bewegung. Diese Folge wirft alle Bälle in die Luft, auf dass sie irgendwann irgendwo irgendwie landen – und neue Muster bilden. Lauter alte Storys tauchen auf, alle aus dem Team haben ihren Erzählstrang, ihre Momente im Licht.
Da ist Rosa und ihre RAF-Mutter, Jan Pawlak kämpft gegen seine Schwiegermutter um das Sorgerecht für seine Tochter, inklusive Gerichtsverhandlung und Anzeige wegen Kindeswohlgefährdung, Faber sucht einen Pflegeplatz für seinen Vater, den hat er erst in der vorigen Folge nach Jahren wiedergetroffen, und ach, professionelle Krankenhausbetten für zu Hause sind ganz schön teuer.
Sie alle bekommen also ihre Sendezeit im knappen 90-Minüter, weil es dahinter um etwas anderes geht: um eine klaffende Lücke und den Versuch, sie zu füllen. Und damit um eine Neuordnung der Dinge. Es geht um die Leitung der Dienststelle. Faber ist nach dem Tod seiner Stellvertreterin Martina Bönisch ja erst jetzt zurück; als er weg war, war Herzog kommissarisch eingesprungen. Es geht um nichts weniger als die Frage, wer wem was zu sagen hat in diesem kantigen Team. Genauer: Wer macht, was andere sagen. Faber, er ist wieder da. Und jetzt?
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