Neukölln: "Achtung, die sind von der Rütli-Schule!"

Von dem Schock, den der Medienrummel der Rütli-Schule vor eineinhalb Jahren versetzte, hat sie sich erholt. Geholfen hat dabei ein Medienprojekt.

Die Rütlischüler wollen nicht mehr nach der Pfeife der Medien tanzen Bild: Reuters

Fragenden JournalistInnen gehen sie immer noch lieber aus dem Weg: Die SchülerInnen der Rütli-Schule sind gebrannte Kinder, was den Umgang mit Medien betrifft. Im März vergangenen Jahres wurde die Neuköllner Hauptschule nach einem hilfesuchenden Brief ihrer LehrerInnen öffentlich in der Rolle der "schlimmsten Schule Deutschlands" vorgeführt. Dem Ziel, das Trauma aufzuarbeiten, welches diese Stigmatisierung hinterlassen hat, dient ein Medienprojekt, an dem sich Schüler und Schülerinnen der neunten und zehnten Klassen beteiligten. In vier Kurzfilmen unter dem Titel "Medienwunder Rütlischule" erkundeten die Jugendlichen, wie Medien arbeiten und welche Berufsbilder es beim Radio und beim Fernsehen gibt.

Man müsse "lesen, so viel man nur kann", wenn man Radiomoderator werden wolle, um einen großen Wortschatz zu bekommen: "Und wenn es nur Hiphop-Magazine sind!" Diesen guten Rat bekamen die Neuköllner Schülerinnen von Kiss-FM-Starmoderator Basty, der zusammen mit Kollegin Nora dort die "Knallwach@Kiss"-Frühsendung moderiert. Slogan: "Von Sex bis 10". Mit den Worten "Nehmt euch in Acht, die sind alle von der Rütli-Schule!" waren die Jugendlichen bei Kiss FM empfangen worden. Neben dem privaten Musikhörfunksender besuchten die SchülerInnen das RBB-Radio Fritz, die Deutsche Welle und den Offenen Kanal Berlin.

Vier Kurzfilme sind so entstanden - in genau zwei Tagen. Seit drei Jahren schon machen Frauke Schaefer und Ingrid Maziey von der Medienwerkstatt Formatwechsel e.V. gemeinsam mit der Rütli-Schule solche Medienprojekte. Mit SchülerInnen der neunten und zehnten Klassen drehen sie Filme, die sich mit verschiedenen Berufsfeldern befassen und den Wegen, die in diese hineinführen. Das Thema Medien hatten die Jugendlichen diesmal selbst vorgeschlagen. In vier Gruppen von maximal sieben SchülerInnen haben sie die Filme erstellt. Ein Vormittag dient zur Einarbeitung in den Umgang mit Kamera, Ton und Drehplänen. Ein zweiter zum Drehen. Den Schnitt machen die Expertinnen von Formatwechsel. Die Filme können später auch Jugendlichen von anderen Schulen dazu dienen, sich ein Bild von bestimmten Berufsfeldern zu machen.

"Von welcher Zeitung sind Sie denn?" Rütli-Schülerin Latife, die auch an dem Medienprojekt teilgenommen hat, beantwortet längst nicht mehr jede Journalistenfrage. Ihre MitschülerInnen haben sich sowieso schon stillschweigend aus dem Staub gemacht. Sie möchten lieber nicht mehr in der Zeitung stehen. Doch Latife kann sich vorstellen, mal in den Medien zu arbeiten. Allerdings lieber hinter als vor der Kamera. Dass die Jugendlichen mithilfe der Filmprojekte Berufe entdecken, die sie vorher nicht kannten, ist ein Ziel des Medienprojekts. Ein anderes: ihr Selbstbewusstsein zu stärken. "Sie stellen die Fragen und werden ernst genommen", beschreibt das Ingrid Maziey vom Verein Formatwechsel.

Selbstbewusster sind sie geworden, die Rütli-SchülerInnen. Der Trubel im vergangenen Jahr hat ihnen auch Gutes gebracht.

Die Personalsituation an der Schule hat sich entspannt, außer neuen Lehrern sind auch Sozialarbeiter gekommen. Die T-Shirts von Rütli-Wear haben die Schule zu einem Label gemacht. Und ein neues folgt demnächst: Zum "Campus Rütli" will sich die Hauptschule mit der benachbarten Heinrich-Heine-Realschule und der Franz-Schubert-Grundschule zusammenschließen. Eine enge Kooperation als Bildungsverbund hat bereits begonnen. Die Bewerbung um die Teilnahme am Modellprojekt Gemeinschaftsschule läuft noch.

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