Neues soziales Medium: Make Social Media Telefon again!
Safe Social will soziale Netzwerke wieder als demokratische Kraft etablieren. Unser Kolumnist findet: Da hilft nur das Telefon.
M anchmal liegen die frohen Botschaften ja auf der Straße und keineR merkt’s. Deutschland ist ein sehr, sehr sicheres Land. Mittlerweile haben knapp 30 Prozent hierzulande laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen entsprechenden Hintergrund, und es läuft ziemlich gut und rund. Ganz egal, was Union, BSW oder AFD behaupten.
Diese Parteien, und ein bisschen auch fast alle anderen, propagieren aber aggressiv das Gegenteil. Was wiederum dazu führt, dass viele Menschen Angst haben und überlegen, ob das mit der Migration nach Deutschland so eine schlaue Idee war.
Wie tief das geht, machte letzte Woche bei einer Veranstaltung an der Evangelischen Akademie Tutzing Ella Schindler von den Neuen Deutschen Medienmacher*innen klar. Die Veranstaltung hieß „Was, wenn Journalisten zum Feindbild werden?“ (Disclaimer: Ich saß auch auf dem Panel.)
Ella Schindler arbeitet bei den Nürnberger Nachrichten als Lokalredakteurin und kommt selbst aus der Ukraine. Gerade Journalist*innen und Medienschaffende mit Migrationshintergrund werden heftig attackiert und sind hier massiv betroffen. Viele überlegen, weiterzuziehen. Weil sie Angst haben. Weil für sie Deutschland nicht mehr sicher oder lebenswert ist.
Überall online Desinformation
Das wiederum hat viel mit der Asozialität der sozialen Medien zu tun. Deren Ruf ist zwar schon länger unten durch, aber wir haben uns an sie gewöhnt. „Nee, ich nicht. Und ich finde es erschreckend doof“, sagt die Mitbewohnerin. Aber sie sind halt wunderbar bequem. Und so kommt es zur Schizophrenie, dass bei Umfragen zwar 80 Prozent sagen, dass das mit der Desinformation bei Social Media ganz schlimm ist. Aber sich nur 15 Prozent der Befragten selbst betroffen fühlen.
Um mit solchen intellektuellen Sockenschüssen aufzuräumen, hat sich jetzt die Initiative Safe Social formiert. Klingt ein bisschen wie Trumps Truth Social. Will aber das Gegenteil, also soziale Netzwerke als demokratische Kraft retten.
Das Anliegen ist so wunderbar simpel von der Idee her. Und in der Umsetzung dann schon ein bisschen schwerer. Ja, unsere Gesellschaft braucht weitere und andere Plattformen für soziale Vernetzung, Austausch und Debatte. Und muss weg von den chinesischen und US-amerikanischen Monopolkonzernen.
Es gibt schon Mastodon oder Friendica im Fediverse … Aber das ist für viele immer noch ein bisschen kompliziert. Es braucht wie früher offene Standards. Telefon und E-Mail funktionieren auch heute noch wie eine gute demokratische Gesellschaft. Divers, mit vielen Anbietern, wobei aber, anders als zwischen den einzelnen Social-Media-Plattformen, alle mit allen kommunizieren können.
Der Kurs ist also klar. Make Social Media Telefon again! Oder wenigstens E-Mail. „Na ja, Vorsicht, lieber Mitbewohner. Von Telefonstreich bis Telefonterror kann alles great again dabei sein“, sagt die Mitbewohnerin.
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