piwik no script img

Neues aus Bundesliga-BundesländernThüringeskes und zu wenig Dreck

Was einer wissen hätte können, der aus Aachen kommt. Und warum sich der Trainer des MSV Duisburg nicht immer so aufregen soll.

Immer mit der Ruhe: Erling Haaland mag sich nicht aufregen Foto: reuters

V ielleicht ist es ja ein Glück, dass das Bundesland Thüringen noch nie in seiner – zugegeben, kurzen – Geschichte einen fußballerischen Vertreter in die Bundesliga entsenden konnte. Wer weiß, was der sonst angerichtet hätte. Andererseits, vielleicht ist das auch ein Unglück, weil Menschen, die verlässlich einmal die Woche etwas haben, worüber sie sich aufregen, sich betrogen fühlen oder immens triumphieren können, einfach nicht mehr so viel Energie haben, sich Empörenswertes aller Art auszudenken.

Wogegen, zugegeben, zweierlei spricht, nämlich zum einen, dass thüringeske Ideen durchaus auch in Bundesliga-Bundesländern verbreitet sind. Und zum anderen, dass Ex- oder Bald-Ex-Ministerpräsident Kemmerich aus Aachen stammt, einer Stadt, in der man insgesamt zweimal erstklassig war. Und nun mit einem Stadion leben muss, das – um es wohlwollend auszudrücken – ein wenig zu groß für den derzeitigen Tabellenfünften der Regionalliga West ist, der in dieser Saison auch wieder nicht aufsteigen wird. Mit anderen Worten, wenn der FDP-Mann nicht nur im Fach Karneval, sondern auch beim Fußball aufgepasst hätte, hätte er gewusst, wie eine verlorene Sache aussieht. Aber hat er halt nicht.

Das ist schlecht, aber nicht so schlecht wie das, was der Borussia aus Dortmund an diesem Wochenende widerfuhr. Die hat in Leverkusen 3:4 verloren und ist nun sehr verzweifelt. Konnte ja nun auch wirklich niemand ahnen, dass Erling Haaland nur dann Tore schießt, wenn er auch angespielt wird, so ein Mist aber auch. „Die Mannschaft muss lernen, bei einer Führung dreckiger zu spielen“, sagte Emre Can anschließend, was man hoffentlich in Thüringen nicht gehört hat. Und Sportdirektor Michael Zorc analysierte, dass man es den Gegnern zu leicht mache, Tore zu erzielen, was aber praktisch bei jedem Gegentor auf der ganzen Welt der Fall ist – außer bei Elfmetern.

„Leider nicht gut genug“

Womit wir zur verlorenen Sache an sich kommen, also zu denen im Fußball, und dazu, wie man eine solche danach erklärt. Pavel Kaderabek von der TSG Hoffenheim ist das nach der 0:1-Niederlage seines Teams gegen den SC Freiburg an diesem Wochenende nachgerade vorbildlich gelungen: „Wenn wir gewinnen wollen, müssen wir Tore schießen – und das haben wir nicht“, sagte er. Und auch Trainer Alfred Schreuder äußerte sich angesichts der Umstände – eines vom TSG verursachten Elfmeters – recht stilvoll: „Ich habe trotz der Niederlage zu den Jungs gesagt: ‚Wir waren heute gut, aber leider nicht gut genug.‘ Trotzdem: Ich hasse verlieren.“

Und was erst die Mönchengladbacher nach ihrem sensationellen 12:3-Sieg gegen den FC Köln gesagt hätten, wenn das Spiel nicht hinterrücks abgesagt worden wäre, tja, ein Meilenstein, ein Mei-len-stein, wäre das gewesen, beziehungsweise ein Grundstein, nämlich der zur Meisterschaft, die am 16. Mai dann auch noch im eigenen Stadion hätte gefeiert werden können, nach einem 4:0 gegen den Absteiger Hertha – doch, isso! Beziehungsweise wäre so gekommen, wenn da nicht ebendieser Sturm gewesen wäre, schade.

Andernorts, also beim ruhmreichen MSV Duisburg, gab es an diesem Spieltag übrigens beim 1:1 gegen Braunschweig keine Gewinner, was zu einem gewissen Missmut beim Drittligatabellenführer (man kann es gar nicht oft genug sagen: Tabellenführer!) führte, der aber vom gegnerischen Coach Marco Antwerpen kongenial relativiert wurde. „Torsten, reg dich nicht immer so auf“, sagte er, und er hatte recht: Aufregungsverschwendung ist in diesen Zeiten absolut zu unterlassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Elke Wittich
Journalistin
Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!