Neues Wertschöpfungskettengesetz: Schnittmuster für eine bessere Welt
Hiesige Unternehmen sollen strengere Sorgfaltspflichten für die Beschäftigten in ausländischen Zulieferfabriken einhalten. Es drohen hohe Strafen.
Das Vorhaben ist unter anderem eine Reaktion auf die Katastrophen in den asiatischen Fabriken Rana Plaza und Ali Enterprises, bei denen vor Jahren Hunderte Arbeiter*innen starben. „Die Position der Kläger*innen im KiK-Fall wäre mit einem solchen Gesetz besser gewesen“, sagte Miriam Saage-Maaß von ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights). Die Organisation hatte im Namen von Opfern auf Schmerzensgeld gegen den Textildiscounter KiK geklagt – und verloren.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ist es ein Anliegen, die Zustände in den weltweiten Zulieferfabriken zu verbessern. Darüber, ob der Entwurf das richtige Mittel ist, herrscht in seinem Haus allerdings Dissens. Die Befürworter*innen hoffen auf die Unterstützung der Spitze ihres Ministeriums und von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Beide Ministerien veranstalten zusammen mit der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Bärbel Kofler, demnächst eine Konferenz, bei der der Entwurf eine Rolle spielen dürfte.
Der Entwurf enthält ein neues Gesetz für die Sorgfaltspflichten von Unternehmen sowie geplante Änderungen unter anderem im Handelsgesetzbuch. Es wird genauer definiert, welche Pflichten hiesige Firmen für ihre Ableger und Auftragnehmer im Ausland haben. Dabei geht es um soziale und ökologische Standards, die in diversen internationalen Abkommen niedergelegt sind, aber heute oft nicht durchgesetzt werden.
Leitprinzipien der UN für Wirtschaft und Menschenrechte
Grundsätzlich müssten Unternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik dann stärker darauf achten, dass beispielsweise die Fabrikgebäude in Ostasien sicher gebaut sind und nicht zusammenbrechen, die Beschäftigten dort existenzsichernde Löhne erhalten, die maximal zulässige Arbeitszeit nicht überschritten und die Umgebung nicht durch giftige Chemikalien verseucht wird.
„Kommt das Gesetz durch, wäre es ein wesentlicher Fortschritt zur Umsetzung der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte“, sagte Christian Scheper, Wissenschaftler am Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen. Entwicklungs- und Bürgerrechtsorganisationen fordern ein solches Gesetz seit Jahren.
Laut Textentwurf sollen die Firmen interne Analysen durchführen, wo die menschenrechtlichen Risiken in ihren Produktionsketten liegen. Sie müssen Vorsorge leisten, dass die Risiken nicht eintreten. Jedes Unternehmen bräuchte einen „Compliance-Beauftragten“, der oder die dafür sorgt, die Sorgfaltspflichten einzuhalten.
Ausländischen Beschäftigten soll ein Beschwerdemechanismus in der jeweiligen Firma zur Verfügung stehen. Hinweisgeber müssen geschützt werden, sie sollen keine Nachteile erleiden. Das Ganze gilt vornehmlich für „große“ Unternehmen mit über 250 Beschäftigten und mehr als 40 Millionen Euro Jahresumsatz. Konkret genannt werden im Gesetzentwurf unter anderem die Branchen Landwirtschaft, Energie, Bergbau, Textil-, Leder- und Elektronikproduktion.
Bußgelder und Freiheitsstrafen
Die Gewerbeaufsicht, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sowie die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung sollen die Regelungen gegenüber den Firmen durchsetzen und kontrollieren. Als Sanktionen werden Bußgelder bis zu fünf Millionen Euro, Freiheitsstrafen und der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge im Inland angedroht.
Fraglich erscheint allerdings, ob und wie das Gesetz den Zugang ausländischer Arbeitnehmer*innen zur bundesdeutschen Justiz verbessert. Nach wie vor würden „viele Konstellationen nicht zivilrechtlich geltend gemacht werden können“, sagte Juristin Saage-Maaß, etwa „die Zerstörung von Umwelt und Lebensgrundlagen und ausbeuterische Arbeitsbedingungen“.
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