Neues Talkformat mit Sarah Kuttner: Alles nur kopiert

ZDFneo wiederholt bei „Kuttner plus Zwei“ das eigene Erfolgsrezept: Lässigkeit, Design, Schnaps. Nah kommt die Moderatorin ihren Gästen nicht.

Besser als die Sendung: Sarah Kuttner. Bild: ZDF/Marcus Höhn

Man achte auf das Leberwurstbrot. Herzhaft beißt Sarah Kuttner im Vorspann ihres neuen Hometalks „Kuttner plus Zwei“ auf ZDFneo in das Wurstbrot – und jeder, der schon mal so eine stinkige Stulle in der Öffentlichkeit ausgepackt hat, weiß: So ein Leberwurstbrot, das isst man mal schön für sich allein.

Insofern: Chapeau, neo-Redaktion. Der Biss ins Wurstbrot ist so unverkrampft, wie man sich das wohl von Kuttners Talk wünscht: die perfekte Illustration für eine Art von routinierter Lässigkeit, die zu inszenieren man beim Mainzer Digitalkanal perfektioniert hat.

Leider ist diese Routine auch das Problem: Das Coolness-Kalkül ist langweilig, weil vorhersehbar geworden. Und das ist im Fall von „Kuttner plus Zwei“ schade. Weil die Sendung nichts dafür kann, dass ZDFneo ein Fernsehformat, für das es steht, inzwischen zu oft selbst kopiert hat.

Rückblende: Es war einmal im Herbst 2011. Das öffentlich-rechtliche Digitalfernsehen war noch jung, die Medien waren abwartend. Da ging diese vorlaute Kreuzung aus Magazin und Talk auf Sendung, „neoParadise“ hieß die, und alle fanden’s toll. Dann, im Frühjahr 2012, „Roche & Böhmermann“ auf ZDFkultur: „Anarcho-Talk“ flüsterte das Feuilleton verzückt angesichts eines selbstironisch vor sich hergetragenen, vermeintlichen Dilettantismus der ModeratorInnen, nebst Zigaretten- und Whiskeykonsum im stilvollen Schwarz-Weiß-Retrostudio.

Zu oft kopiert

Und das junge ZDF? Notierte sich drei Dinge. Moderation: lässig; Schnaps: ja; Optik: entscheidend. Insofern macht Kuttner in der ersten von vier halbstündigen Folgen der ersten Staffel, in der sie Hannelore Elsner und den Singer-Songwriter Bosse in ihrem Berliner Loft zu Gast hat, ihre Sache sogar sehr gut. „Jacken könnt ihr irgendwo hinschmeißen“, ruft sie ihren Gästen zu, kramt derweil im Vintagekühlschrank und nötigt hernach zum Eierlikörtrinken am Designeresstisch.

Das wirkt ein bisschen so, als sei man gerade in einen zwanglosen WG-Abend gestolpert – und das soll es wohl auch. Man plaudert so über dies („Magst du Talkshows, Hannelore?“) und das („Vermittelt uns die Popkultur ein realistisches Bild von der Liebe?“).

Dann gibt’s Abendbrot, und Hannelore Elsner philosophiert zwischen Würstchen und Zigarette übers Älterwerden. Zwischendurch der obligatorische Einspieler, ein Porträtfilmchen über die Gäste.

Das ist nicht sehr spannend. Zum einen, weil so ein Einspieler zwar nett geschnitten, der Inhalt aber auch ungefähr so bei Wikipedia nachzulesen ist. Und zum anderen, weil Kuttners Fragen entweder belanglos oder überkomplex sind – und die Antworten von Elsner und Bosse also eher unbefriedigend.

Nonchalante Plapperei

Trotz Stulle und Schnaps: Wirklich nah an ihre Gäste heran kommt Kuttner nicht. Dabei ist das laut ZDFneo die Idee des Talks: Zwei prominente Gäste plaudern frech und unverstellt Quasigeheimnisse aus ihrem Privatleben aus.

Zielvorgabe verfehlt, und trotzdem: Irgendwie schaut und hört man gerne zu. Weil Kuttner es schafft, der allzu bemühten Zwanglosigkeit des Formats doch ein wenig Authentizität abzutrotzen. Wenn eine nonchalant vor sich hin plappern kann, über Kinder („find ich doof“) und Heiraten („Ich schwör, ich kapier’s nicht“), dann sie.

Da kann ZDFneo froh sein, dass wenigstens Kuttner keine Kopie ist.

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