Neues Staatsbürgerrecht: Staatsbürgerreform beschlossen
Das Kabinett hat den Entwurf von Innenministerin Faeser gebilligt. Grüne und Linke kritisieren fehlende Ausnahmen für arme Menschen.
Der beschlossene Entwurf sieht vor, dass sich Ausländer*innen künftig nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland einbürgern lassen können, statt wie bisher nach acht. Bei besonderen Integrationsleistungen lässt sich die Frist sogar auf drei Jahre verkürzen, etwa bei guten Sprachkenntnissen, ehrenamtlichem Engagement oder besonderen Arbeitsleistungen. Faeser betonte hier die Bedeutung dieser neuen Regelung insbesondere für die Anwerbung dringend benötigter Fachrkräfte aus dem Ausland. Man befinde sich in einem „weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe“.
Man wolle die Leistung von Menschen würdigen, die als sogenannte Gastarbeiter*innen in die BRD oder als Vertragsarbeiter*innen in die DDR kamen, sagte Faeser. Diese Menschen sollen künftig für eine Einbürgerung statt einem regulären Sprachnachweis nur noch die „Fähigkeit zur mündlichen Verständigung“ nachweisen müssen. Auch der Einbürgerungstest entfällt für sie.
In Deutschland geborene Kinder sollen künftig automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, wenn mindestens ein Elternteil sich seit mindestens fünf Jahren legal in Deutschland aufhält. Wer wegen antisemitischer, rassistischer, sexistischer oder demokratiefeindlicher Taten verurteilt wurde, soll dagegen künftig noch konsequenter von der Einbürgerung ausgeschlossen werden.
Unmut bei Teilen von SPD und Grünen
Und auch die doppelte oder mehrfache Staatsbürgerschaft soll künftig möglich sein. Faeser nannte dies einen „lange überfälligen Paradigmenwechsel“. Um das Thema hatte es in vorangegangenen Legislaturperioden harte Debatten gegeben, insbesondere CDU und CSU hatten sich stets gegen eine solche Regelung gestellt: Am Mittwoch warnte die CSU-Politikerin Andrea Lindholz, es drohten dadurch politische Einflussmöglichkeiten für ausländische Staaten.
Doch auch in den Reihen von SPD und Grünen gibt es Unmut – wenn auch aus anderen Gründen. Der Entwurf streicht eine bisher geltende Ausnahmeregelung, wonach die Einbürgerung von Ausländern auch dann möglich ist, wenn sie Sozialleistungen beziehen, diese aber „nicht zu vertreten haben“.
Das betraf bisher etwa die Kinder armer Eltern oder auch Menschen, die Angehörige pflegen oder eine Behinderung haben. Das neue Gesetz sieht stattdessen eine Härtefallregelung vor. Statt eines Anspruchs gäbe es dann also eine Ermessensentscheidung nach individueller Prüfung. Faeser selbst sagte am Mittwoch: „Hier haben wir eher verschärft.“
Der SPD-Abgeordnete Hakan Demir begrüßte den Entwurf gegenüber der taz zwar grundsätzlich. Er sagte aber auch: „Eine Person, die Care-Arbeit leistet, in Teilzeit beschäftigt ist und dadurch aufstocken muss, oder Menschen mit Behinderung müssen auch eingebürgert werden können.“ Er werde sich dafür einsetzen, dass eine entsprechende Passage in den Gesetzentwurf aufgenommen wird.
ProAsyl beklagt harte Regeln für Geflüchtete
Auch die Grünen-Rechtspolitikerin Canan Bayram nannte den Entwurf zwar einen „Meilenstein in der Einbürgerungspolitik“, kritisierte aber dessen „Schwächen“ bei den Sonderregeln für Menschen, die Sozialleistungen beziehen. „Wir werden uns im jetzt anstehenden parlamentarischen Verfahren dafür einsetzen, hier noch Verbesserungen für die Betroffenen zu erreichen.“
Und auch die unabhängige Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman begrüßte den Beschluss grundsätzlich, übte aber ebenfalls Kritik an den fehlenden Ausnahmeregelungen für bestimmte Personen. Sie teilte mit, es müsse „der Erwerbssituation von Alleinerziehenden, Älteren und Menschen mit Behinderungen bei den Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherung weiterhin Rechnung getragen werden.“ Die Erleichterungen für Gast- und Vertragsarbeiter*innen müssten zudem auch für deren nachgezogene Ehepartner*innen gelten.
Die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut nannte die gestrichenen Ausnahmen „eine drastische Verschärfung“ und sprach von „sozialer Arroganz“, die „nicht akzeptabel“ sei.
Das Bündnis „Passt uns allen“ aus über 50 migrantischen und antirassistischen Organisationen übte am Mittwoch nicht nur Kritik an den fehlenden Ausnahmereglungen: „Dass Staatenlose im aktuellen Gesetzesentwurf immer noch nicht berücksichtigt werden, ist inakzeptabel“, sagte Christiana Bukalo, Vorsitzende der Organisation Statefree. Es stelle sich nun die Frage, „ob es sich tatsächlich um Unwissenheit oder vielmehr um die bewusste Missachtung und Diskriminierung staatenloser Menschen in Deutschland handelt.“
Pro Asyl kritisierte, dass für eine Einbürgerung weiterhin in allen Fällen der bisherige Pass vorgelegt werden muss. Dies sei etwa für Geflüchtete aus Syrien ein großes Problem: „Menschen, die vor Verfolgung und Folter geflohen sind und eingebürgert werden wollen, dürfen nicht weiterhin in die Botschaften ihrer Verfolger oder Folterer geschickt werden“, sagte der fluchtpolitische Sprecher der NGO, Tareq Alaows. „Dieser Umstand stellt eine besondere Härte dar und muss im parlamentarischen Verfahren unbedingt abgeschafft werden“.
Der Gesetzentwurf wird in den nächsten Wochen in den Bundestag eingebracht. Faeser hofft, dass die neuen Regelungen schon Anfang 2024 in Kraft treten können.
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