Neues Springer-Magazin „Bild Politik“: Kann man hassen, kann man lieben
„Bild Politik“ soll die Leerstellen füllen, die andere Medien lassen. Dazu soll es verdichtet, knapp, klar und auf den Punkt sein. Was man halt so sagt.
„Schrott-Armee“, „Diesel-Wut“, „Funklöcher“, steht auf dem Titel von Bild Politik. Dazu die Schlagzeile: „Warum versagt unsere Regierung?“ Das „Warum“ am Anfang der Headline sagt viel aus über das Selbstverständnis des neuen gedruckten Magazins aus dem Hause Springer. Denn da steht nicht: „Versagt unsere Regierung?“
Bei diesen drei Themen versagt die Regierung, stellt Nikolaus Blome trocken fest. Es herrsche „breiter Konsens in der Gesellschaft, dass da etwas schief läuft“, pflichtet Selma Stern ihm bei.
So geht es also los. Bild Politik startet an diesem Freitag im Testgebiet Hamburg, Lübeck, Lüneburg mit einer gedruckten Auflage von 20.000 Exemplaren an 2.000 Verkaufsstellen. Auf den Pappaufstellern steht dann „Mitnehmen. Mitreden.“, auf den Plakaten „Kann man hassen. Kann man lieben. Muss man wissen.“ oder: „Wenn Sie die Politik nicht mehr verstehen, muss das nicht an Ihnen liegen.“ Umfang: 52 Seiten. Preis: 2,50 Euro. Layout: Typ lokale Boulevardzeitung in den 80er- und 90er-Jahren.
Ärger, Neugier, Freude
Stern hat sich das Heft ausgedacht. Sie war bis dato Referentin des Springer-Vorstands. Umgesetzt hat sie es gemeinsam mit Blome, dem Stellvertretenden Bild-Chefredakteur. Bild Politik verzichtet auf die klassischen Ressorts, stattdessen wird alles unter drei Kategorien subsumiert: Ärger, Neugier, Freude. Quasi die Simplifizierung der Emotionen, wie wir sie von Facebook kennen.
Die auf dem Titel angerissenen drei Themen fallen natürlich alle unter „Ärger“.
Aber: Wozu braucht es überhaupt ein neues, gedrucktes, wöchentliches Politikmagazin in Deutschland? Die Frage stellt sich Selma Stern bei der Präsentation von Bild Politik in der noblen Hanse Lounge in Hamburg gleich selbst. Sie geht damit genauso vor, wie es das Magazin auch will: Die Fragen stellen, „die übrig bleiben, auch wenn man die ganze Woche Nachrichten konsumiert hat“, sagt Stern.
Bild Politik soll also die Leerstellen füllen, die andere lassen würden. Dazu soll es verdichtet, knapp, kantig, klar und auf den Punkt sein. Was man halt so sagt. Damit würde ein Leserbedürfnis erfüllt, das bislang noch nicht befriedigt würde, sagt Stern. So sei es zumindest ihr gegangen.
Und löst Bild Politik das Versprechen ein, die letzten noch offenen Fragen der Woche zu stellen und auch die passenden Antworten zu geben? Bild Politik lässt zumindest keinen Zweifel daran aufkommen, wo es steht: In Opposition zur Kanzlerin (wenn es um jedes Thema geht), Arm in Arm mit Dieselfahrern und Industrie (wenn es um Stickoxide und allgemein die Mobilität geht), auf der Seite des harten Staats (wenn es um Abschiebungen geht). Klassische Bild-Linie der letzten Zeit.
Na dann: Freude!
Es kommt halt – wie immer – auf die Fragen an, die man stellt. Beim Thema Diesel beispielsweise geht es laut Blome um folgendes: „Tut die Regierung genug, das Autofahren, wie wir es heute kennen, erschwinglich zu halten?“ So sagt er es bei der Präsentation.
Die Antworten darauf finden sich dann tatsächlich im Heft: „Der VW-Skandal hat mit den Fahrverboten nichts zu tun!“, „Der Diesel ist der beste Motor“, „Fahrverbote sind maßlos“, „Die ‚Deutsche Umwelthilfe‘“ („ohne Gnade für Millionen Dieselfahrer“), „Die Jobs zählen nicht“. So die Zwischenüberschriften aus dem Text zum Thema.
Man kann diese Frage so stellen. Man kann auch diese Antworten geben. Nur: Findet der Leser oder die Leserin, die sich am Ende der Nachrichtenwoche noch diese Frage stellt und auf Antworten wartet, nicht schon genug davon im weiten Bild-Kosmos – von der gedruckten Ausgabe über Bild.de, die App und alle anderen Ausspielwege? Zur Not auch bei welt.de?
Stern und Blome glauben nicht. „Das Magazin wird ein Erfolg“, sagt Blome. Na dann: Freude!
Achso, und damit das mal klar ist: „Die Medien sind nicht schuld am Erfolg der AfD“, lernen wir in einem Kommentar. Gut zu wissen, man hätte nach der Lektüre von Bild Politik auch ins Zweifeln kommen können. Aber: „(I)n Wirklichkeit sind es gerade … die Versäumnisse des Staates und der Regierungen, die die AfD in den Bundestag und die Landtage gebracht haben. Vor allem die Versäumnisse und Unzulänglichkeiten bei Zuwanderung, Integration und Kriminalität.“ Der letzte Satz ist gefettet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“