Neues Sexualstrafrecht verabschiedet: „Nein heißt Nein“ ohne Gegenstimme

Wer Sex gegen den „erkennbaren Willen“ eines anderen erzwingt, macht sich strafbar. Zum neuen Gesetz gab es im Bundestag keine Gegenstimme.

Parlamentarier stehen im Bundestag herum

Alle einer Meinung? Fast. Grüne und Linke haben einen berechtigten Einwand Foto: dpa

BERLIN taz | Das nennt man eindeutig: Ohne Gegenstimme verabschiedete der Bundestag am Donnerstag ein strengeres Sexualstrafrecht. Künftig sollen Täter dafür bestraft werden, wenn sie jemanden sexuell bedrängen und dessen klar geäußerte Ablehnung missachten. Ganz egal, ob das Opfer Nein sagt, seine Abneigung mit Gesten verdeutlicht oder weint.

Bestraft wird demnächst auch das sogenannte Grapschen, das unerlaubte Greifen an Brust, Hintern und Genitalien. Neu eingeführt wird das Delikt „Straftaten aus Gruppen“: Wenn jemand in einer Gruppe andere umzingelt, um sexuelle Übergriffe zu begehen.

So klar war das im Sexualstrafrecht bis jetzt nicht geregelt. Einen „Paradigmenwechsel“ nannte die SPD-Vizefraktionschefin Eva Högl daher die Gesetzesreform.

Obwohl ein klares Ja zum „Nein heißt Nein“-Prinzip zu erwarten war, entzündete sich die Debatte vor allem an einer erst vor drei Tagen bekannt gewordenen Änderung, die das Aufenthaltsrecht für MigrantInnen verschärft. Wer künftig wegen eines „sexuellen Übergriffs“ zu einer Strafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, dürfte in der Regel sein Aufenthaltsrecht verlieren. Aus diesem Grund enthielten sich die Grüne und Linke bei der Abstimmung über den gesamten Gesetzentwurf, nachdem sie dem „Nein ist Nein“-Grundsatz aber zugestimmt hatten.

Frauenrechte instrumentalisiert?

„Damit torpedieren Sie das Ausländerrecht und instrumentalisieren Frauenrechte“, kritisierte Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Links-Fraktion. Katja Keul von den Grünen nannte die Änderung „schlicht unverhältnismäßig“. Halina Wawzyniak, rechtspolitische Sprecherin der Links-Fraktion, reagierte drastisch: „Das widert mich an“.

Hitzig debattiert wurde auch der „Gruppen“-Passus. Renate Künast erregte er so sehr, dass sie eine Zwischenfrage stellte: „Wie soll man sich von einem Delikt innerhalb einer Gruppe distanzieren, das man nicht einmal merkt?“

Auf die „Straftaten aus Gruppen“ und schärfere Auswirkungen auf das Aufenthaltsrecht hatte vor allem die Union bestanden – als Reaktion auf die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht. Damals wurden Frauen massenhaft von überwiegend migrantischen Männern umzingelt, bestohlen und sexuell belästigt.

Schlacht um Deutungshoheit

Eher amüsant war am Donnerstag die Schlacht um Deutungshoheit: Welche Partei hat zuerst „Nein heißt Nein“ gefordert? Waren es die Grünen, wie Katja Keul von den Grünen sagte? Oder die Linkspartei? Das Gesetz ist insbesondere der Union zu verdanken, behauptete hingegen Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion. Eva Högl von der SPD beanspruchte das für ihre Partei. Die Union hätte die Reform lange blockiert, jetzt habe sie sich „von uns überzeugen lassen“.

Am Ende dürfte das alles egal sein.

Wird es nun leichter, Sexualstraftäter zu bestrafen? Die Beweislast bleibt nach wie vor schwierig: Wie kann ein Opfer beweisen, dass es ausdrücklich Nein gesagt hat? Auch künftig wird häufig Aussage gegen Aussage stehen. Nicht zuletzt deshalb forderte Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, „bestmöglichen Opferschutz“: anonyme Beweissicherung, sensibilisierte PolizistInnen und StaatsanwältInnen sowie die Pille danach.

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