Neues Rentenpaket: Mindestens haltbar bis 2039?
Das Kabinett hat das Rentenpaket II beschlossen, das die Renten für 15 Jahre absichern soll. Die Folgen für Jüngere sind ambivalent.
„Mit dem Rentenpaket II stabilisieren wir das Rentenniveau dauerhaft und schaffen ein Generationenkapital, um zukünftige Beitragszahler zu entlasten“, erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch. Damit setze die Koalition ein „klares Zeichen für Leistungsgerechtigkeit“. Der Minister hatte zuvor vorgerechnet: „Wenn eine Krankenschwester aus Sachsen beispielsweise, heute 49 Jahre alt, 2040 in Rente geht, ist das im Jahr ein Unterschied von 1.100 Euro, je nachdem ob wir das Rentenniveau stabilisieren oder nicht“.
Bis zum Jahre 2039 wird ein Renteniveau von 48 Prozent gesichert – was dem bisherigen Niveau entspricht. Das Rentenniveau ist der Verhältniswert aus der sogenannten Standardrente und dem Durchschnittslohn. Ohne diese Haltelinie würde das Rentenniveau ab 2027 absinken und im Jahr 2040 nur noch bei 44,9 Prozent liegen.
Der Beitragssatz zur Rentenversicherung, den Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen zahlen, würde ohne diese Reform von derzeit 18,6 Prozent vom Bruttolohn auf 21,3 Prozent im Jahr 2040 steigen. Mit der Haltelinie im Rentenpaket II und dem ebenfalls geplanten sogenannten Generationenkapital steigt der Beitragssatz auf 22,3 Prozent schon ab 2035, das sind 1 Prozent mehr als ohne die Reform. Weil die Beiträge hälftig von Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen finanziert werden, müssen 2040 die Arbeitnehmer:innen 0,5 Prozent von ihrem Bruttolohn mehr an Rentenbeiträgen abzweigen als ohne die Reform.
Mit welchen Maßnahmen das Rentenniveau ab 2040 weiterhin gesichert werden könnte, dazu soll die Bundesregierung im Jahr 2035 einen „Bericht vorlegen“, heißt es im Gesetzentwurf.
Die Arbeitgeber sind gegen die Reform. „Nachdem die Koalition bereits eine Anhebung des Rentenalters ausgeschlossen hat, gehen damit künftig alle Lasten aus der Alterung auf Kosten der Beitragszahler“, sagte Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Mit immer höheren Sozialbeiträgen käme Deutschland „noch schwerer aus dem wirtschaftlichen Stillstand“.
„53 Prozent würden helfen“
Ein stabiles Rentenniveau bedeutet „Entlastung, bessere Absicherung im Alter und weniger Aufwand für private Vorsorge“, lobte hingegen DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Ein Niveau von 53 Prozent würde „wirklich gegen Altersarmut helfen“, erklärte Verena Bentele, Chefin des Sozialverbandes VdK.
Die Rentenausgaben liegen im Jahr 2045 durch das Rentenpaket II um 47 Milliarden Euro höher, als wenn das neue Gesetz gar nicht kommen würde. Die Rentenausgaben von 372 Milliarden Euro im Jahre 2024 würden aber auch ohne das Paket auf 755 Milliarden Euro im Jahr 2045 steigen, bedingt durch die Rentensteigerungen, die sich unter anderem an steigenden Löhnen orientieren, und bedingt durch die Demografie.
Nach einer Rechnung, die die Ökonomin Imke Brüggemann-Borck von der DRV kürzlich vorstellte, steigt der „Altenquotient“ von 31,8 Prozent im Jahr 2021 auf 43,4 Prozent im Jahr 2040 und sinkt dann wieder ab auf 42,5 Prozent in 2045. Der Altenquotient bezeichnet das Verhältnis von über 67-Jährigen einerseits und 100 Personen im Alter von 20 bis 67 Jahren andererseits.
Der Bundeszuschuss aus Steuermitteln macht laut Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) etwas weniger als ein Viertel der Renteneinnahmen aus, steigt aber in absoluten Zahlen über die Jahre stark an. Kritiker:innen warnen daher vor der steigenden Belastung der Steuerzahler:innen, also jüngerer Erwerbstätiger, durch das Rentensystem.
Neben der Sicherung der Haltelinie soll mit dem Rentenpaket II auch ein sogenanntes „Generatinonenkapital“ angespart werden, also ein Kapitalstock, dessen Renditen künftig in die Rentenkasse fließen. Dazu soll eine Stiftung mit der Bezeichnung „Generationenkapital“ errichtet werden.
Die Regierung will für den Aufbau des Kapitalstocks Schulden machen, die aber nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. 2024 sind es 12 Milliarden Euro an Kapitalstock, bis in die Mitte der 2030er Jahre soll der Kapitalstock auf 200 Milliarden Euro anwachsen. Aus dem Stiftungsvermögen des Generationenkapitals sind ab dem Jahr 2036 dann „durchschnittlich Ausschüttungen in Höhe von jährlich zehn Milliarden Euro vorgesehen“, heißt es im Gesetzentwurf.
Die FDP hatte zuletzt starke Bedenken gegen das Rentenpaket geäußert. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte aber jetzt, aus seiner Sicht sei „das Rentenpaket II abgeschlossen“. Der am Mittwoch beschlossene Kabinettsentwurf muss jetzt im September noch durch den Bundestag. Der Bundesrat soll noch im Juli eine Stellungnahme abgeben. (mit dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles