Neues Punkalbum von Akne Kid Joe: Vom Banküberfall in den Spamordner

Die Nürnberger Akne Kid Joe stellen sich dem drohenden Rechtsruck nach der Europawahl auf dem neuen Album „4 von 5“ mit Verve entgegen.

Vier Personen stehen nebeneinander in einem Raum mit Fenster und Stuhl.

Mittelfränkische Punks Akne Kid Joe Foto: Foto: Kidnap Music

Seit einem mageren Jahrzehnt machen Akne Kid Joe aus Nürnberg der deutschen Punkhölle mit intellektuellem Gute-Laune- Sound Feuer unter den Boots. Jetzt ist ihr viertes Album „4 von 5“ mit 14 musikalisch und textlich noch ausgefeilteren Songs erschienen. Wer denkt, der fränkische Asyltourist Markus Söder sei der einzige deutschlandweit bekannte Nürnberger Schreihals, der in Bayern was zu sagen hat, hat Akne Kid Joe noch nicht gehört.

Bereits 2018 veröffentlichte das Quartett um Gitarristin Sarah Lohr sein Debütalbum „Karate Kid Joe“. Darauf findet sich auch der Song „markus erlöser“, über den in Nürnberg geborenen CSU-Ethnozentristen. Darin widerspricht die Band einer These von Schriftsteller Jules Verne und behauptet, die Nürnberger Südstadt sei Mittelpunkt der Welt. Womöglich haben sie deshalb 2022 den Nürnberger Kulturpreis erhalten.

Wer sich damals noch nicht in den Humor von AKJ verknallt hatte, den fixten die Pöbel-Pheromone 2020 mit dem Song „What the AfD thinks we do“ an, in dem vermummte Be­rufs­an­ti­fa­schis­t:in­nen nach dem „Malochen gegen AfD und Kapital“ ihren Scheck bei der „Antifa-Reisen-GmbH“ einstreichen. Ein dummdeutsches, rechtsextremes AfD-Narrativ schmackhaft verwurstet und gegrillt. Die Botschaft kam an: Auf Spotify wurde die Hymne mittlerweile knapp 3 Millionen mal gestreamt.

Tucho lässt grüßen

Auch das neue Album „4 von 5“ ist politisch, weist literarische Bezüge auf und klingt äußerst gelungen: In den neuen Songs pogen Inhalt und Form in trauter Eintracht. Und es wird „eine Runde auf den Vaterlandsverrat“ getrunken, die angesichts des gefährlichen Nationalismus der AfD besonders munden könnte, ganz im Sinne Kurt Tucholskys, der 1926 schrieb: „Diesen Leuten ist nur beizukommen, wenn sie den Gegner spüren, […] ob sie uns beschuldigen […] Vaterlandsverräter und Staatsfeinde (zu sein): das ist alles völlig unerheblich. Wir haben sie nicht gefragt.“

Akne Kid Joe: „4 von 5“ (Kidnap Music/Rookie/Cargo)

Auf Tour ab Mitte Oktober

Gleich beim Auftaktsong „Heute im Spamordner“, der vom Keyboard eingeläutet wird, das Yann Tiersen die Hände über den Kopf zusammenschlagen würde, erinnert sich AKJ an Höflichkeitsfloskeln: „Alles gut bei dir?“. „Self titled“ ist die ironische AKJ-Biografie schlechthin, die den Produktionsfaktor Aufmerksamkeit aufs Korn nimmt.

Eingeleitet von Industrialsound, der den kapitalistischen Charakter der Musikindustrie unterstreicht und eine Entwicklung hin zu einem literarisch-musikalischen Kunstwerk hörbar werden lässt. Denn er funktioniert auch auf einer zweiten Ebene, wenn die Musik den Text unterstreicht, abgelöst von einem Sex-Pistols-Gitarrenriff.

Kein Machobiotop

Dann tönt es durchaus Kopfnicker – und pogotauglich: „Darf ich vorstellen, unser Geschäftsmodell / Politische Parolen, aber originell / Am besten wär natürlich eine Frau in der Band / Kennt ihr jemanden, der eine Frau kennt?“ Letzteres ist natürlich ein Fuck-Fingerzeig auf den patriarchalen Bizeps der machistischen Punkszene und auf den Song „Sarah (Frau, auch in ner Band)“ von 2020, in dem die Gitarristin Sarah Lohr für Aufsehen in der Szene sorgte mit den Worten: „Die Bühnen dieser Welt gehn für alle klar / Waren nie Machobiotop und niemals nur für Männer da.“

Sarah Lohr setzte sich auch kürzlich bei der BR-Talkshow „Wahlarena“ mit dem EU-Abgeordneten Thomas Rudner (SPD) dafür ein, die Nürnberger Antifaschistin Hanna nicht an das präfaschistische Ungarn auszuliefern. Allerdings teilen auch die Männer* das prekäre Künstler:innendasein, ausgepresst von Spotify und Co., wie der Song „50 / 50“, unter anderem mit Egotronic-Keyboard und Skabeat, verdeutlicht.

„Arbeiten, Miete zahlen / Sparkasse überfallen / Fifty-Fifty.“ Das freche Liebeslied „Mindestbestellwert“ weckt mit feinnervigen Riffs und fast schon romantischen Melodien Sehnsucht, wie ein künstlich erzeugtes Bedürfnis den derzeit gebeutelten Markt am Leben hält. Da fliegen Blumen vor der Wohnung des oder der Liebsten ins Gebüsch. „ … allein ists schwer mit dem Mindestbestellwert / Zu zweit war das nicht so schwer.“

Krawumms, bodenständig

Bei AKJ trifft bodenständiger Ramoneskrawumms auf treibende Akkorde und eingängige Mitgröhlrefrains, durchsetzt von Zirkus-Keyboard-Tönen, dass man glaubt, der Clown kommt gleich um die Ecke, aber der hat es sich in den Texten gemütlich gemacht.

Das muss Punk 2024 leisten: Spaß haben und möglichst deutlich die Welt auseinandernehmen, ohne ein Notenblatt vor den Mund zu nehmen. Songtexte von AKJ sind treffende Analysen unserer kaputten Welt, punkgenau gestochen wie die Tattoos von Keyboarder Hackepeter und Sänger Matti, mit einem wohltuenden Schuss Provo, feiner Ironie und rauen Phrasen.

Transparenzhinweis: Der Autor wurde von Akne-Kid-Joe-Keyboarder Hackepeter tätowiert. Für fünf Stunden Schmerz hat er den regulären Preis bezahlt.

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