Neues Parlament in Katalonien: Jetzt kommt Torrent
Das katalanische Parlament hat einen Separatisten zum Parlamentspräsidenten gewählt. Das erhöht die Chancen von Ex-Regierungschef Puigdemont.
Die Neuwahlen am 21. Dezember waren von Ministerpräsident Mariano Rajoy angeordnet worden, als das katalanische Parlament nach einem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum die Loslösung von Spanien verkündet hatte. Rajoy enthob daraufhin die katalanische Regierung Ende Oktober mithilfe des Verfassungsartikels 155 des Amtes. Die Verfechter der Unabhängigkeit gewannen die Wahlen erneut, die Liste „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCAT) des Ex-Regionalchefs Carles Puigdemont wurde im Unabhängigkeitslager entgegen allen Umfragen stärkste Kraft.
Insgesamt werden die Befürworter der Unabhängigkeit mit vier von sieben Mitgliedern im Präsidium vertreten sein. „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCAT) stellt einen der stellvertretenden Vorsitzenden, ein weiterer geht an die stärkste Fraktion im neuen Parlament, die rechtsliberalen Ciudadanos (C’s). Die C’s treten wie die Sozialisten (PSC) und die konservative Partido Popular (PP) des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy für die Einheit Spaniens ein. Neben der ERC, JxCAT und C’s ist auch die PSC im Parlamentspräsidium vertreten.
Die Unabhängigkeitsbefürworter werteten die Sitzung positiv: „Ein erster Schritt, um unsere Institutionen zurückzuerobern“, twitterte ERC. Auch Puigdemont, der sich nach Brüssel abgesetzt hatte, um nach der Unabhängigkeitserklärung einer Festnahme zu entgehen, gratulierte. Er will sich Ende des Monats erneut zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Die Mehrheit im Präsidium ist ein erster Schritt für eine solche Wiederwahl. Denn das Präsidium entscheidet darüber, ob Puigdemont seine Kandidatur per Videokonferenz verteidigen darf.
Kommt Puigdemont hingegen nach Spanien zurück, droht die sofortige Verhaftung. Der Ex-Regionalchef, seine Regierung sowie die Mitglieder des alten Parlamentspräsidiums werden der „Rebellion“, des „Aufstands“ sowie der „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ beschuldigt. Insgesamt stehen darauf 55 Jahre Haft.
Rajoy will die Zwangsverwaltung aufrechterhalten
Puigdemonts Vize Oriol Junqueras, ein Minister sowie zwei Aktivisten sitzen seit über zwei Monaten wegen derselben Vorwürfe in U-Haft. Vier weitere Minister befinden sich wie Puigdemont in Belgien. Drei der Inhaftierten gehören dem neuen Parlament an. Sie hatten ihre Stimme an andere Abgeordnete delegiert, nachdem sich der Oberste Gerichtshof in Madrid geweigert hatte, sie für die Parlamentssitzung vorübergehend freizulassen.
Das neu gewählte Präsidium muss nun klären, ob ein Amtsantritt Puigdemonts per Videokonferenz möglich ist. Die juristischen Berater der katalanischen Volksvertretung verneinen dies, doch in der parlamentarischen Geschäftsordnung steht dazu wenig Konkretes. Als sie verfasst wurde, kam niemand auf die Idee, dass so etwas nötig sein könnte.
C’s und PSC haben bereits angekündigt, gegen eine solche Amtseinführung vor das Verfassungsgericht ziehen zu wollen. Auch Rajoy will rechtliche Schritte ergreifen und überdies die Zwangsverwaltung Kataloniens aufrechterhalten. Madrid fürchtet gar, dass Puigdemont versuchen könnte, zur Investitur nach Katalonien zurückzukehren. Alle Grenzeinheiten wurden deshalb in Alarmbereitschaft versetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter