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Neues Kontrollgremium für GeheimdienstExtremismus-Verdacht reicht nicht für Ausschluss

Gernot Knoedler
Kommentar von Gernot Knoedler

Des Extremismus verdächtige Abgeordnete von der Kontrolle des Verfassungsschutzes auszuschließen, wäre falsch. Gerade die Opposition muss dabei sein.

Seit 2023 im Neubau: niedersächsisches Landesamt für Verfassungsschutz Foto: Marco Rauch/dpa

O b Parteien, die mindestens mit einem Bein nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, den Verfassungsschutz kontrollieren sollen, ist eine Frage, die zu manchen Paradoxien führt. Natürlich ist es skurril, dass Verfassungsfeinde die Behörde beobachten sollen, die sie selbst beobachtet. Ebenso bizarr ist aber, dass der Verfassungsschutz darüber bestimmen soll, wer ihn beobachten darf.

Es stimmt: Wenn Abgeordnete verfassungsfeindlicher Parteien den Inlandsgeheimdienst überwachen, droht die Gefahr, dass sie – allen Verschwiegenheitspflichten zum Trotz – Informationen an ihre Gesinnungsgenossen weitergeben. Das wiederum erschwert deren Beobachtung und gefährdet schlimmstenfalls sogar die Leute, die für den Verfassungsschutz arbeiten.

Bloß: Wer hat denn darüber zu bestimmen, wer oder was als verfassungsfeindlich zu gelten hat? Der Verfassungsschutz – mit Gutachten, die dann auch noch unter Verschluss gehalten werden?

Man braucht nur rechtsextrem durch „linksradikal“ zu ersetzen, um zu erkennen, wo das Problem liegt

Ein Geheimdienst, der nach dem Krieg mit einer Menge Nazi-Personal gestartet ist, dessen V-Leute zeitweilig die Neonaziszene unterstützt haben und der Aufklärung häufig eher behindert hat, als sie zu fördern. Man braucht nur „rechtsextrem“ durch „linksradikal“ zu ersetzen, um zu erkennen, wo das Problem liegt.

Ohnehin haftet den Äußerungen des Verfassungsschutzes etwas Denunziatorisches an. Das Etikett „wird vom Verfassungsschutz beobachtet“ kann zwar als Warnsignal gelesen werden, sowohl an die Beobachteten als auch an die Zivilgesellschaft, die mit ihnen zu tun hat. Zugleich ist damit aber auch eine politische Stigmatisierung verbunden, gegen die man sich kaum wehren kann.

Mehr noch gilt das für die Feststellung „gesichert soundso“. Ob das zutrifft, sollte mindestens ein Gericht klären, bevor unliebsamer Opposition die Kontrolle des Geheimdienstes verwehrt wird.

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Gernot Knoedler
Hamburg-Redakteur
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1 Kommentar

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  • Darf ich von diesem doch sehr naiven und undurchdachten Kommentar enttäuscht sein?

    Erstens geht es nicht darum, ob die Beobachteten nur irgendetwas an die Presse weitergeben. Das ist ein Nebenkriegsschauplatz und Transparenz ist eher positiv.



    Zweitens wäre es naiv anzunehmen, dass es sich bei den Rechtsradikalen in unseren Parlamenten nur um eine ganz gewöhnliche "Opposition" handelt.



    Ein Verbotsverfahren hätte längst angestrengt werden müssen, als klar war, dass der Weg in den Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus innerhalb der AfD unumkehrbar würde. Jetzt haben wir es dort mit Leuten zu tun, die sich zwar noch einen demokratischen Anstrich geben, die jedoch, kämen sie an die Macht, Deutschland an die Zeit vor 90 Jahren erinnern würden: Sie würden Menschen diskriminieren, den Staat in einen Selbstbedienungsladen verwandeln und sich dem Recht nicht mehr unterordnen, sondern danach trachten, es zu ihren Gunsten zu ändern. Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben.



    Nicht vergessen: Auch vor 1933 sahen Nazis für viele harmlos aus. An die Macht kamen die Extremisten schließlich durch die Hilfe und Untätigkeit der Konservativen.