piwik no script img

Neues Kohlebergwerk in EnglandJa zu Kohle aus Kumbrien

Eine Behörde bewilligt das erste Kohlebergwerk Großbritanniens seit 30 Jahren. Umweltschützer wollen dagegen klagen.

Protest vor Downing Street 10: Greenpeace lädt Kohle ab Foto: dpa

London taz | Das Planungkomitee der Grafschaft Kumbrien im Nordwesten Großbritanniens hat am Dienstag die Baugenehmigung für das erste neue Kohlebergwerk Großbritanniens seit 30 Jahren erteilt. Das 200 Millionen Euro teure Projekt des Privatunternehmens Westcumbria Mining soll 50 Jahre lang jährlich bis zu 3,1 Millionen Tonnen Kohle abbauen.

Hierbei soll es sich um besonders hochgradige Volatile-Kohle zur Koks-Stahlherstellung im Ausland handeln. Der Abbau ist großteils unter dem Meeresboden geplant. Er soll langfristig 500 Arbeitsplätze in der äußerst armen Region schaffen. Dies war für die Lokalbehörde einer der Hauptgründe, dem Vorhaben zuzustimmen. 1986 endete in Kumbrien eine jahrhundertelange Ära des Kohleabbaus als die letzte Zeche geschlossen wurde.

Anders als „thermische Kohle“ wird Kokskohle nicht in Kraftwerken für die Produktion von Wärme und Strom verbrannt, sondern in der Stahlproduktion benötigt. Während der weltweite Bedarf an thermischer Kohle bei jährlich etwa 7,5 Milliarden Tonnen liegt, wird nur gut 1 Milliarde Tonnen Koks-Kohle gefördert – vor allem in China (etwa 650 Millionen Tonnen) und Australien (etwa 200 Millionen).

Großbritannien wiederum, das Mutterland von Kohlenutzung und industrieller Revolution, hat den Gebrauch von thermischer Kohle praktisch eingestellt: Nur noch 5 Prozent seines Stroms bezog das Königreich nach einer Analyse des Thinktanks „Carbon Brief“ 2018 aus der Kohle, ein Rückgang von 87 Prozent über die letzten 5 Jahre. 2025 soll mit der Kohleverstromung auf den britischen Inseln Schluss sein.

Kohle kann tausende von Menschenleben gefährden

Die Gegner des Projekts kündigten an, eine rechtliche Prüfung der Entscheidung zu beantragen. Der Emissionsexperte des Weltklimarats IPCC, Laurie Michaelis, glaubt, dass der spätere CO2-Ausstoß durch die Verarbeitung der Kohle andernorts tausende von Menschenleben gefährden kann. Er hatte diese Einschätzungen auch dem Komitee vorgetragen.

Eigentlich will Großbritannien bis 2025 aus der Kohleverbrennung ausgestiegen sein. Das Unternehmen behauptet davon nicht betroffen zu sein, da die gewonnene Kohle nicht der Energiegewinnung diene. Michaelis sagte, das Bergbauunternehmen hätte behauptet, es würde keinen Unterschied machen, ob sie oder andere die Kohle abbauten.

„Das Argument ist falsch“, sagte Michaelis. „Mehr Angebot bedeutet mehr Nachfrage. Außerdem können sie nicht garantieren, dass die Kohle nur zum Stahlbau benutzt wird. Es zeigt, dass wir ein globales Umdenken über die Benutzung Ressourcen benötigen.“

Neben Bedenken des Natur und Artenschutzes gibt es auch hohe Bedenken zum geplanten Standort, dem Pow Beck Tal und der St. Bees Küste Kumbriens. Dieser liegt nur acht Kilometer von der ehemaligen nuklearen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield entfernt.

Dort sind immer noch radioaktiven Materialen gelagert. Im umliegenden Schlamm der See befinden sich außerdem bis zu 70 Jahre alte Ablagerungen aus der Nuklearindustrie. Seismische Bodenbewegungen oder Erdbeben könnten fatale Konsequenzen haben, behaupten die Gegner des Projekts.

Über 100 Auflagen des britischen Umweltamts

Doch das Planungskomitee stützte sich darauf, dass die britische Behörde für nukleare Sicherheit (ONR) sich nicht dafür verantwortlich hält, weil sich das künftige Bergwerk 500 Meter außerhalb ihres Aufgabenbereichs befindet.

Sollte es trotz der rechtlichen Überprüfung zum Bau der Anlage kommen, müssten dennoch über 100 Auflagen des britischen Umweltamts (EA) erfüllt werden. Sie verlangten beispielsweise Maßnahmen für die Marinesicherheit, denn bei in der Region häufigen Überflutungen könnten umliegende Gewässer verseucht werden. „Sie werden sich vielen Prüfungen und Tests unterziehen lassen“, sagte Michaelis.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Kohlenstoffdioxid entsteht bei der Reduktion des Möllers im Hochofen. Der Restkohlenstoff im Roheisen wird im Konverter anschließend "verbrannt". Man beachte jedoch, dass es ein thermodynamisches Gleichgewicht zwischen Kohlenstoff-Kohlenstoffmonoxid und Kohlenstoffdioxid gibt. Dem Hochöfner ist das unter dem Begriff der "Heugabelkurve" bekannt.

    Bevor der Jahrhundertvertrag in Deutschland auslief, der vorsah nur inländischen Koks zu möllern, lag der Koksverbrauch in modernen Hochöfen bei rund 350 kg pro Tonne Roheisen. Das war nach dem Wegfall des Importverbotes überflüssig, denn ausländische Steinkohle war viel billiger und so erlosch das Interesse am sparsamen Koksverbrauch zur Roheisenherstellung.

    Es herrschen nicht nur in der physikalischen Chemie dynamische Gleichgewichte, sondern auch in der Ökonomie. Letzteres wird jedoch von den geistig beschränkten Neoliberalen erbittert bekämpft und geleugnet. Zeigt sich doch dabei, dass Marktwirtschaft von außen beeinflusst werden kann und nicht nur von menschenverachtender Gier getrieben wird.

  • "„Mehr Angebot bedeutet mehr Nachfrage......"

    Herr, wirf Hirn vom Himmel !

    "..... Außerdem können sie nicht garantieren, dass die Kohle nur zum Stahlbau benutzt wird. Es zeigt, dass wir ein globales Umdenken über die Benutzung Ressourcen benötigen.“"

    Dies sollte man wohl als allererstes den Chinesen erklären. Denn China plant oder baut bereits hunderte neue Kohlekraftwerke, innerhalb und außerhalb Chinas - alles im Rahmen des Pariser Klimaabkommens.

    Klartext: "der Westen" steigt aus der Kohleverstromung aus; China steigt im noch größeren Stil als bisher ein. Und niemand konnte verstehen, wieso Trump aus dem Abkommen ausgestiegen ist.

    Clownwelt !

  • Erstaunlich, dass hierfür eine Wirtschaftlichkeit erwartet wird.



    Der Kohlenstoff geht indes auch bei der Stahlherstellung in die Luft, nachdem er zuvor den Sauerstoff vom Eisenerz (Eisenoxid) an sich gebunden hat.

    • @meerwind7:

      Stahl ist einer der wichtigsten Werkstoffe für die meisten Dinge, die uns umgeben. Der Stahlverbrauch weltweit steigt ständig. Wobei ein sehr großer teil in Europa verbraucht wird. Da ist es doch eigentlich fair, wenn der Dreck bei der Erzeugung auch hier anfällt.