Neues Erfassungssystem für Asylsuchende: Alles neu, alles besser?
In einer neuen Registrierungsstelle für Asylsuchende in Berlin sollen Anträge schnell erledigt werden.
An der neuen Berliner Erstregistrierungsstelle für Asylsuchende muss niemand in der Kälte warten. Vor dem eingezäunten Gebäude in der Bundesallee in Berlin-Wilmersdorf ist die Lage entspannt. Ein paar Sicherheitsleute stehen bereit, um größere Menschenansammlungen zu verhindern. Am Mittag stehen dort aber nur eine Handvoll Menschen, die meisten warten auf Freunde oder Verwandte im Gebäude.
Seit diesem Donnerstag wird dort ein neues Verfahren für Asylsuchende ausprobiert. Sie sollen schneller registriert werden und teilweise am selben Tag eine Entscheidung über ihren Asylantrag erhalten. Möglich wird dies, weil in der Registrierungsstelle zum ersten Mal alle zuständigen Landes- und Bundesbehörden in einem Gebäude zusammenarbeiten. Dieses „Berliner Modell“ sei bisher bundesweit einzigartig, sagten Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und der Leiter der Berliner Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Wolfgang Meier.
Einige Asylsuchende hatten wohl gehofft, sich hier direkt registrieren zu lassen, diese musste das Sicherheitspersonal wegschicken: Auf Schildern ist in mehreren Sprachen zu lesen, dass hier keine Sofort-Registrierungen stattfinden, sondern nur Leute registriert werden, die zuvor beim Landesamt, dem Lageso in Moabit, ein Bändchen mit ihrem Namen und dem Herkunftsland erhalten haben.
Idris aus Afghanistan hat so ein Bändchen. Der 24-Jährige sitzt auf den Stühlen im Erdgeschoss und wartet. Einen Platz in den Bussen hat er nur bekommen, weil er ab fünf Uhr morgens am Lageso in Moabit gewartet habe, erzählt sein Cousin, der draußen vor den Absperrgittern steht und per Telefon Kontakt mit ihm hält. Etwa vier oder fünf Stunden dauere es noch, bis Idris registriert sei, sagt der Cousin, am Abend soll er mit den anderen Flüchtlingen von der Bundesallee in eine Unterkunft gebracht werden.
Entscheidung im gleichen Gebäude
Sachbearbeiter registrieren die Asylsuchenden und versorgen sie mit einer Unterkunft. In dem zehnstöckigen Gebäude an der Bundesallee, der ehemaligen Zentrale der Landesbank, ist auch das Bamf vertreten. Bisher mussten Flüchtlinge oft Wochen auf einen Termin für ihren Antrag und die Anhörung beim Bamf warten. Jetzt kann die Entscheidung im gleichen Gebäude fallen.
Je nach Ausgang der Asylentscheidung erhalten sie bei der Ausländerbehörde ein Stockwerk höher ihre Aufenthaltsdokumente, eine Rückkehrberatung oder den Abschiebungsbescheid. Anerkannte Flüchtlinge dürfen sofort arbeiten und sollen in den Räumen der Bundesagentur für Arbeit über Berufs- und Ausbildungsmöglichkeiten beraten und vermittelt werden.
Meier pries das System als „besonderen Ausdruck von Humanität im Asylverfahren“. Ein-Tages-Entscheidungen werde es aber nur bei Syrern oder Antragsstellern aus „sicheren Herkunftsländern“ geben. Rechtsstaatliche Verfahren könnten in diesen einfachen Fällen innerhalb von Stunden abgeschlossen werden.
„Für syrische Flüchtlinge, die auf jeden Fall anerkannt werden, ist das wahrscheinlich möglich“, sagte Canan Bayram, migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. „Antragssteller aus sogenannten sicheren Herkunftsländern sollen politisch gewünscht ja abgelehnt werden – die Ablehnung muss aber rechtsförmlich zugestellt werden.“ Die Antragsteller hätten außerdem die Möglichkeit, gegen den Bescheid Rechtsmittel einzulegen. „Damit ist der Fall nicht in einem Tag erledigt“, sagte Bayram.
Lage am Lageso nur etwas entspannter
Am Tag eins mit dem neuen System hatte sich die Situation am Lageso in der Turmstraße nur etwas entspannt. Wieder warteten Hunderte im Freien darauf, dass ihre Wartenummer aufgerufen werde. Die neuen, noch nicht registrierten Flüchtlinge warteten in zwei beheizbaren Zelten weiter vorne auf dem Gelände. Dort bekommen Asylsuchende das graue „Terminbändchen“ für die Vorsprache in der Bundesallee. Rund 100 Menschen wurden in der Bundesallee am ersten Tag registriert. Die anderen Neuankömmlinge vom Lageso in Moabit wurden mit Bussen in Notunterkünfte gebracht, wo sie bis zu ihrem Termin in der Bundesallee warten sollen.
Freiwilligenorganisationen kritisieren das Konzept. „Die Menschen machen sich erfahrungsgemäß eigenständig auf den Weg, wenn sie von der Registrierung in der Bundesallee hören, dort wird sich dann das Chaos vom Lageso wiederholen“, sagt Diana Henniges von „Moabit Hilft“. Die Organisation forderte den Senat auf, ein tragfähiges Konzept für registrierte und unregistrierte Flüchtlinge vorzulegen. Für Samstag, 17. Oktober, um 14.30 Uhr rufen sie zu einer Demonstration mit Start am Neptunbrunnen auf dem Alexanderplatz auf.
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