Neues Bündnis in Italien: Einheit gegen Giorgia Meloni
In Italien verbünden sich die traditionell zerstrittenen Parteien des Mitte-links-Lagers gegen die Rechtsregierung von Ministerpräsidentin Meloni.
Quer durchs Land waren sie am letzten Wochenende zu sehen: Die Tische, an denen so gut wie alle Parteien des italienischen Mitte-links-Lagers Unterschriften gegen eine wichtige Reform der Rechtsregierung unter Giorgia Meloni sammelten. Nächstes Wochenende soll die Aktion weitergehen, und im August wollen die Oppositionsparteien auch an die Strände ziehen, um die 500.000 nötigen Unterschriften zu sammeln.
Die Reform soll in Zukunft Schul-, Gesundheits- und Energiepolitik, aber auch Verkehrsplanung und Industriepolitik den Regionen überantworten. In dem ökonomisch und sozial gespaltenen Land fürchten viele, dass damit die Kluft zwischen dem prosperierenden Norden und dem abgehängten Süden noch weiter wachsen wird.
Ungewöhnlich ist dabei, dass diesmal fast das ganze Mitte-links-Lager an einem Strang zieht, von der radikal linken Alleanza Verdi Sinistra (AVS – Grün-Linke Allianz) über die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) und die Fünf Sterne bis hin zu den kleinen Mitte-Parteien +Europa und Italia Viva. Damit sitzen Kräfte in einem Boot, die sich in der Vergangenheit immer wieder bekämpft und so auch 2022 Melonis Wahlsieg ermöglicht hatten.
Spaltung ebnete Meloni den Weg
Melonis Rechtsallianz holte damals 44 Prozent der Stimmen, alle Mitte-links-Parteien insgesamt 47 Prozent. Doch während die Rechte geeint angetreten war, präsentierte sich das Mitte-links-Lager gespalten in drei Formationen: die PD im Bund mit AVS, die Fünf Sterne allein, Italia Viva im Pakt mit einer anderen kleinen Mitte-Partei. Und da in Italien mehr als ein Drittel der Parlamentssitze in Personenwahlkreisen vergeben werden, räumte die Rechte dort ab und hat heute mit 44 Prozent der Wahlstimmen 60 Prozent der Sitze in Abgeordnetenhaus und Senat.
Die Spaltungen haben eine lange Tradition. Matteo Renzi, bis 2018 PD-Vorsitzender, hatte 2019, angesichts des Linksrucks der PD, seine eigene Kleinpartei Italia Viva gegründet. Auf der anderen Seite hatten sich PD und Fünf Sterne über Jahre in gegenseitigem Hass verbunden gezeigt. Zwar hatten sie von 2019 bis 2022 gemeinsam in der Regierung gesessen, dann aber vor den Parlamentswahlen 2022 wieder den Bruch vollzogen.
Elly Schlein, seit Februar 2023 amtierende PD-Vorsitzende, darf für sich beanspruchen, an der Überwindung der Gräben zu arbeiten. Die 38-jährige erklärte Renzi-Gegnerin mit klarem linkem Profil schaffte es, in der eigenen Partei zum ersten Mal seit rund 10 Jahren wieder Einigkeit herzustellen. Und sie arbeitet genauso beharrlich daran, das gesamte Oppositionslager zu einen.
Einheit auf dem Fußballfeld
„Stur für die Einheit“ sei sie, erklärt Schlein immer wieder, und gemeinsam mit den Fünf Sternen und der radikal linken AVS trieb sie in den letzten Monaten Kampagnen für den gesetzlichen Mindestlohn und gegen die Kürzungen im öffentlichen Gesundheitswesen voran. Ihr Rezept: „Keine Personalismen, sondern Themen“ müssten im Mittelpunkt des Dialogs zwischen den Mitte-links-Parteien stehen.
Die Rechnung scheint aufzugehen. Bei der jetzt begonnenen Unterschriftensammlung ist plötzlich auch Matteo Renzi im Boot. Letzte Woche hatte er, der immer gegen Schlein und den Fünf-Sterne-Chef Giuseppe Conte polemisiert hatte, in einem Zeitungsinterview überraschend erklärt, das Bündnis mit PD und Fünf Sternen sei „die einzige Alternative, wenn wir nicht auf Jahre Giorgia Meloni behalten wollen“.
Zumindest auf dem Fußballfeld funktioniert das Schema Campo largo, das „breite Feld“ bereits. Als letzte Woche bei einem Benefizspiel eine Politiker*innenmannschaft gegen ein Team von italienischen Popstars antrat, spielten Schlein, Conte und Renzi gemeinsam im Sturm, samt von Schlein auf Steilvorlage von Renzi geschossenem Tor. Das wurde zwar wegen Abseits aberkannt – doch die beiden umarmten einander, als hätten sie immer schon davon geträumt, endlich zusammen auf Sieg zu spielen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels